Der Nobelpreis
Entführer von dem Tonband wüssten«, erklärte ich also mit aller Geduld, zu der ich imstande war, »dann würden sie dir das um die Ohren hauen, darauf kannst du Gift nehmen. Die würden dir die Hölle heiß machen, wenn sie nur den geringsten Verdacht hätten.« Es tat gut, zu überlegen, selbst wenn man es während des Sprechens tun musste.
Man kommt doch auf die eine oder andere gute Idee, wie zum Beispiel, zu fragen: »Was haben sie überhaupt genau gesagt?«
Hans-Olof zögerte. Er schien es sich ungern ins Gedächtnis zurückzurufen. »Na ja, es war der, der immer anruft. Mit diesem komischen Geräusch in der Kehle. Aber er klang heute seltsam, wie dicht vor dem Durchdrehen. Wollte wissen, ob ich mich noch schön an die Abmachung halte. Ich habe gesagt, ja, und dass ich hoffe, dass sie sich auch daran halten.«
»Ich weiß nicht, was du hast. Du kannst ziemlich fies werden, wenn es sein muss«, grinste ich unwillkürlich. »Was hat er denn geantwortet?«
Hans-Olof ächzte. »Angeblafft hat er mich. Rumgeschrien. Ich sei nicht in der Position, Forderungen zu stellen, und so weiter. Ich solle an meinem Schreibtisch sitzen bleiben und aufpassen, dass niemand misstrauisch wird … Ich frage dich, woher wusste er, dass ich am Schreibtisch sitze?«
»Hans-Olof, ich bitte dich. Wo sollst du denn sonst sitzen, wenn dich jemand in deinem Büro anruft? Das hat er geraten, ganz einfach.«
»So klang das aber nicht. So klang das ganz und gar nicht, glaub mir.«
Er stand dicht vor dem Durchdrehen, das war mal klar.
»Von wo aus sprichst du überhaupt gerade?«, fiel mir ein zu fragen.
Hans-Olof klang irritiert. »Das habe ich dir doch auf die Mailbox gesprochen. Ich habe mich in der Besuchertoilette im obersten Stock eingeschlossen und die ganze Zeit gewartet, dass du dich endlich meldest.«
»Ah«, meinte ich unangenehm berührt. »Die Mailbox, ja. Das muss ich mir noch mal in Ruhe genauer anschauen, wie das geht …« Zeit, das Thema zu wechseln. »Hast du ihn eigentlich auch nach Kristina gefragt?«
Tiefes Luftholen. »Natürlich. Aber er hat bloß gesagt, im Augenblick gehe es nicht. Das war alles.«
»Und warum es nicht geht, hat er dazu nichts gesagt?«
»Nein. Er hat gesagt, er meldet sich wieder, und aufgelegt.«
Ich sah auf, musterte den Humlegården um mich herum, die kahlen Bäume und den verschneiten Rasen und die feuchten Sitzbänke, sah hinüber zum Gebäude Sturegatan 14, in das ich einzubrechen gedachte, und mein Gehirn fühlte sich an, als habe es sich im Kopf verkantet. »Ehrlich gesagt, so richtig Sinn ergibt das alles nicht für mich.«
»Sinn?«, wiederholte Hans-Olof mit dem Anflug eines irren Lachens. »Danach frag ich überhaupt nicht mehr. Ich will bloß noch, dass es endlich irgendwie vorbei ist …«
Ich horchte auf. Ich bin nun wahrlich kein Telefonseelsorger, aber das klang selbst für meine Ohren nicht gut. Um nicht zu sagen, nach Suizidgefahr. Vielleicht war es besser, ich kümmerte mich erst mal um ihn.
»Möglicherweise hast du Recht«, sagte ich bedächtig. »Es könnte Wanzen in deinem Büro geben.« Quatsch. Wenn zu Hause keine waren, gab es in seinem Büro erst recht keine.
»Bloß kann ich das unmöglich auch noch untersuchen. Verstehst du, dein Haus beobachten sie unter Garantie. Wenn aber der Heizungsmonteur, der gestern bei dir zu Hause war, heute in deinem Büro auftaucht – das würde sie stutzig machen. Und wir können nicht riskieren, sie stutzig zu machen.«
Er brauchte eine Weile, das zu verarbeiten. »Gut«, meinte er. »Ich kann ja auch einfach an meinem Schreibtisch sitzen bleiben. Was soll es noch. Wenn du nur endlich irgendwas machst. Was ist mit Basel? Fliegst du jetzt?«
Besser, ich machte ihm diesbezüglich nichts vor. »Nein. Ich hab es mir überlegt, aber das bringt nichts. Ich kann die Sprache dort nicht, ich kenne niemanden mehr in Basel … Selbst wenn alles ideal laufen würde, wäre ich nicht vor Montag zurück. Da könnte ich hier praktisch nichts mehr ausrichten.«
Er heulte wieder auf. »Aber irgendwas musst du doch tun, Gunnar, ich bitte dich!«
»Ja, beruhige dich. Ich habe schon was im Auge.«
»Und was? Gunnar, wir hatten vereinbart, dass du mich über alles informiert hältst!«
»Ist mir nicht entfallen. Ich gebe dir Bescheid, sobald die Sache spruchreif ist.«
Telefonseelsorger war entschieden nicht mein Beruf. Hans-Olof klang eher noch niedergeschmetterter als zu Beginn unseres Gesprächs. »Ich weiß auch nicht«, meinte er
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