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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Nobels Kopf und ein Fahnenmast über dem prachtvollen Eingang. Links davon ein knallbuntes marokkanisches Reisebüro und weiter die Straße hoch ein großes, in Rottönen gehaltenes Kino namens Park. Rechts ein kleines Geschäft für Herrenmoden, daneben ein Etablissement, das sich Crazy Horse Club nannte. Diese Umgebung bekam man in den Prospekten und den alle Jahre wiederkehrenden Fernsehsendungen und Zeitungsartikeln natürlich nie zu sehen.
    Ich ging näher an das Gebäude der Nobelstiftung heran, nahm den Eingang genauer in Augenschein. Eine massive Tür, schwarz, ein Codefeld in der Nähe des Schlosses und etliche Schilder, die erklärten, dass das Gebäude ständig überwacht wurde und welcher Sicherheitsdienst zuständig war. Ein paar Treppenstufen, davor ein schmiedeeisernes Gitter, ebenfalls mit Codeschloss.
    Mein Blick wanderte nach oben. Fünf Stockwerke, ausgebautes Dach. Scheinwerfer, die die Fassade bei Nacht anstrahlten.
    Unwillkürlich atmete ich ein, als ich begriff. Die kalte Luft schnitt in die Lunge, kühlte den Schreck der Erkenntnis. Basel war ein Irrweg. Viel zu weit weg, viel zu unsicher, viel zu unergiebig. Hier, das war es. Hier hinein musste ich. Ich musste meine Nachforschungen im Sekretariat der Nobelstiftung selbst fortsetzen, das war es, was meine Intuition mir hatte sagen wollen.
    Ich atmete langsam wieder aus, eine dichte weiße Wolke. Das würde nicht leicht werden.
    Ich sah mir das Gitter, die wuchtige Tür, die Codeschlösser noch einmal an, diesmal mit meinem berufsmäßigen Blick. Karte und Code. Das war in der Zeit, die mir blieb, nicht zu schaffen. Ich hatte so was schon gemacht, ja, natürlich. Aber das erforderte langwierige Beschattungen des Personals, viel Zeit, hohen Aufwand. Man musste herausfinden, wer alles in dem Gebäude arbeitete, musste denjenigen herauspicken, der die Schwachstelle darstellte, sich auf diese Person konzentrieren. Ihr folgen. Oft hatte sie einen schwachen Code, nur eine Ziffer mehrmals hintereinander, ihr Geburtsdatum, die Jahreszahl, geometrische Muster, aufsteigende und absteigende Zahlen oder was immer sich Leute so einfallen ließen, um es jemandem wie mir leichter zu machen. Manchmal konnte man den Code einfach an der Tastatur ablesen. Beispielsweise wenn bestimmte Tasten abgewetzt waren – bei der miesen Qualität, die die meisten Firmen produzierten, brauchte es dazu nur den Fingerschweiß eines Dutzend Angestellter und ein paar Monate Zeit. Wo nicht, ließ sich mit einer Videokamera und einem richtig starken Teleobjektiv von einem geeigneten Versteck aus die Kombination ermitteln. Die Karte musste man natürlich stehlen. Das hieß, zwei Einbrüche statt nur einem, aber der erste Einbruch galt einer Privatwohnung und zählte daher als Spaziergang.
    Von derartigen Schwachstellen war hier allerdings nichts zu entdecken. Die Tasten glänzten frisch und metallisch, Wertarbeit, für die Ewigkeit gemacht.
    Manchmal halfen auch Manipulationen am Schloss selber.
    Manche Codeschlösser kann man problemlos zerlegen und durch Verbinden der richtigen Kabel zum Öffnen der Tür veranlassen. Die meisten dieser Dinger sind Spielzeuge, als Sicherheitstechnik verkleidet.
    Die hier allerdings sahen anders aus. Ich kannte das Fabrikat nicht, was schon mal ein schlechtes Zeichen war. Zudem machte die Lage Manipulationen schwierig. Wann hätte man das tun sollen? Tagsüber verbot es sich von selbst. Und nachts? Die Straße war belebt und gut beleuchtet. Passanten und fließender Verkehr, das war ein wirkungsvollerer Schutz, als es jedes Gerät gewesen wäre.
    Nein, von vorne war kein Eindringen möglich.
    Aber ein Haus hat ja nicht nur eine Vorderfront. Ich sah an den Stockwerken aus grauem Stein empor und fragte mich, was dahinter sein mochte. Das Gebäude der Nobelstiftung war Teil eines Häuserblocks, aber was umschloss der? Einen Innenhof? Gab es Hintergebäude? Ich setzte mich in Bewegung, die Sturegatan hinab, spähte in das Schaufenster des Herrenausstatters, studierte die Speisekarte des Clubs, schlenderte weiter, um den Block herum.
    Ich kam an einem Geschäft für Designküchengeräte vorbei, gleich darauf, wie passend, an der Niederlassung einer Sicherheitsfirma, einer anderen, aber mit eigener, gepanzerter Ausfahrt. Es gab ein paar Restaurants, Zugänge zu Büros und so fort. Um die nächste Ecke, in der Brahegatan, spähte ich durch Haustüren in dunkle Flure voller Briefkästen. Hinten führten Treppen hinauf, und manche dieser Treppenhäuser

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