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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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behandschuhten Finger gegen das Glas und spähte ins Innere. Alles war still. Die Mitarbeiter der Nobelstiftung, die Verwalter des Vermögens und Organisatoren der Preisverleihung standen in diesem Augenblick ausnahmslos auf irgendwelchen Empfängen herum, die im Anschluss an die Vorträge der Laureaten gegeben wurden, balgten sich um Häppchen vom kalten Buffet, balancierten Sektgläser und machten Smalltalk.
    Und ahnten nichts von mir, der ich nur noch durch fünf Millimeter Glas von ihrem Heiligtum getrennt war.
     
    Bewegungsmelder sind aus der Sicht von jemandem mit meinem Job geradezu heimtückisch wirkungsvolle Sicherheitseinlichtungen. Technisch sind sie nahezu unüberwindbar. Wenn man sich ihnen nähert, lösen sie Alarm aus. Wenn man ihnen den Strom abschaltet, lösen sie gleichfalls Alarm aus. Eigentlich ist nicht einzusehen, warum es überhaupt noch Einbrüche gibt, seit Bewegungsmelder erfunden worden sind. Wo dieses Gerät installiert ist, hat nicht einmal eine Maus eine Chance, unentdeckt zu bleiben.
    Das ist, anbei bemerkt, der Schwachpunkt des Systems und damit der Ansatz, um es auszuhebeln. Denn es gibt nun mal Mäuse, und zwar mehr, als die meisten Menschen sich träumen lassen. In jeder Großstadt leben zehnmal mehr Mäuse als Menschen. Ein Großraumbüro, ein Museum oder gar eine Lagerhalle zuverlässig von Mäusen freizuhalten ist praktisch unmöglich. Da die Empfindlichkeit eines Bewegungsmelders nur innerhalb bestimmter Grenzen einstellbar ist und sich mit Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und so weiter ändert, kommt es nicht selten vor, dass ein kleines Tier, das quer über den Boden rennt, Alarm auslöst. (Wenn allerdings eine Stubenfliege, eine verirrte Hummel oder gar eine Spinne Alarm auslösen, hat derjenige, der die Sensoren einstellt, tatsächlich Mist gebaut.)
    Mit anderen Worten: Sicherheitskräfte, die solchen Alarmen nachgehen müssen, sind daran gewöhnt, dass mit Bewegungsmeldern ausgestattete Systeme häufig Fehlalarme auslösen.
    Das kann man ausnützen, um das System zu schlagen. Ein Beispiel aus der Praxis: Man gehe während der regulären Öffnungszeiten in das fragliche Gebäude – notfalls »verirrt« man sich und dankt den Wachleuten, die einen hinausbegleiten, für die Hilfe – und verstecke bei der Gelegenheit ein kleines, fernsteuerbares Spielzeugauto unter einem Büroschrank. In den folgenden Nächten postiere man sich mit der zugehörigen Fernsteuerung in der Umgebung des Gebäudes und lasse das Auto ab und zu herausfahren, bis Alarm ausgelöst wird, und lenke es dann wieder zurück in sein Versteck. (Da man das Spielzeug meist von draußen nicht sehen kann, muss man es allerdings blind steuern, was schwierig ist und viel Übung erfordert.) Spätestens nach einer Woche – vor allem, wenn man das Auftreten des Alarms an irgendwelche auffallenden äußeren Ereignisse koppeln kann, an vorüberdonnernde Züge, startende Flugzeuge oder dergleichen – kommt der Sicherheitsdienst zu der Überzeugung, dass etwas mit den Sensoren nicht stimmt, schaltet sie ab und informiert den Servicetechniker. Außerdem wird er sich vornehmen, den Rest der Nacht besonders gut aufzupassen, diesen Vorsatz nach etwa einer Stunde vergessen – und der Weg ist frei.
    Das hätte auch hier funktionieren können. Nur hatte ich keine Woche mehr Zeit.
    Es gibt noch andere Methoden, auf die ich an dieser Stelle lieber nicht eingehen möchte. Es sei nur so viel gesagt, dass sie in meiner Situation ebenfalls nicht anwendbar gewesen wären.
    Zum Glück war ich auch nicht auf sie angewiesen.
    Alles, was ich zu tun brauchte, war, mein Mobiltelefon zu zücken, Dimitris Nummer zu wählen und zu sagen: »Ich bin jetzt so weit.«
     
    Ich hatte die Abbildung auf dem Bildschirm des Computers bestimmt fünf Minuten lang angestarrt, und Dimitri hatte mich schweigend dabei beobachtet. Währenddessen hatten die Umrisse eines wahrhaft tollkühnen Plans Gestalt angenommen.
     
    »Ich könnte übers Dach kommen. Ich könnte mich von oben abseilen und im ersten Stock reingehen«, sagte ich und deutete auf die entsprechende Stelle des Grundrisses. »Hier. Im Konferenzraum. Dem Grundriss nach muss das Eckzimmer daneben das Büro des Stiftungsvorsitzenden sein. Siehst du? Das hier ist das Vorzimmer mit seiner Sekretärin. Der kleine Raum am Ende des Ganges ist eine Teeküche, ein Kopierraum oder so was in der Art. Ganz typische Konstellation; kann gar nicht anders sein.«
    »Mmmh«, meinte Dimitri nur.
    »Also,

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