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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Aktueller Zugangscode. Willst du den mal ausprobieren, ehe du Sachbeschädigung begehst?«
    »Her damit.« Er schien davon auszugehen, dass ich Lust und Zeit zu endloser Telefonplauderei hatte.
    »Der Code lautet 5-2-3-8 und dann die Raute.«
    Ich drückte die entsprechenden Tasten. Nichts geschah. Wäre ja auch zu schön gewesen. »Negativ«, sagte ich. »Der gilt sicher nur für das Codekartenschloss vorne am Haupteingang. Ohne die Karte nützt mir das aber –«
    »Halt, ich sehe grade, die letzte Ziffer ist gar keine Acht. Die haben bloß eine seltsame Schrifttype verwendet. Das ist eine Null. Probier noch mal. 5-2-3-0, Raute.«
    Ich probierte es noch einmal, und …
    »Bingo«, sagte ich. Mit einem dezenten Klicken war die Tür aufgesprungen. Angenehme Wärme kam mir entgegen. »Du bist ein Genie.«
    »Wissen wir doch. Ich wünsche noch viel Spaß und eine ruhige Nacht!« Damit schaltete er ab.
    Ich schaltete mein Telefon auch aus und verstaute es in meiner Jacke. Behutsam schob ich die Glastür ein Stück weiter auf. Ich wischte die Unterseite meines Rucksacks mit einem Tuch ab und stellte ihn innen auf den Boden. Dann schlüpfte ich aus meinen Schuhen, trat ebenfalls auf den kühlen Steinboden, zog eine Plastiktüte hervor, wickelte die Schuhe darin ein und verstaute sie anschließend im Rucksack. Unnötig, Spuren zu hinterlassen, wenn es mir so glücklich gelungen war, spurlos einzudringen.
    Ich vergewisserte mich, dass sich die Tür von innen problemlos öffnen ließ, und drückte sie zu.
    Das ist der Moment, in dem man erst einmal stehen bleiben und mit allen Sinnen in die Dunkelheit lauschen sollte.
    Ein paar Sekunden genügen, um ein Gespür für das Gebäude zu bekommen, seine Mauern, die Räume, die sie umschließen, die Atmosphäre darin, für mögliche Gefahren. Alle Sinne aufs Äußerste angespannt, ein Raubtier in feindlicher Umgebung: So muss man die ersten Schritte tun.
    Am Ende des Ganges konnte ich es mir nicht verkneifen, die Büste mit der Taschenlampe kurz anzuleuchten. Alfred Bernhard Nobel sah leidend drein, beinahe erschrocken. Ich schaltete das Licht wieder aus, ehe meine Augen sich zu sehr daran gewöhnten, und wandte mich nach links.
    Ein schmiedeeisernes Gitter, verschlossen. Zwei Minuten Arbeit mit den Picks, dann konnte ich es behutsam beiseite schieben. Ich öffnete es vollständig und ließ es so: ein bewährter Kniff. Falls wider Erwarten doch jemand hereinkam, würde er höchstens denken, dass der Letzte, der das Haus verlassen hatte, einfach vergessen hatte, auch das Gitter abzuschließen. Ein halb offen stehendes Gitter oder eines, das unverschlossen angelehnt war, würde dagegen Argwohn wecken. Es gibt Situationen, in denen dieser kleine Unterschied entscheidend sein kann.
    Die Treppe hinauf, eine weitere Tür, dahinter der Flur des altehrwürdigen Büros. Es roch nach Zigarrenrauch, und der Erste am Morgen würde zweifellos erst einmal kräftig lüften müssen. Ich leuchtete die Wände ab, das vordere Ende der Taschenlampe mit meinen behandschuhten Fingern so umschließend, dass nur ein bleistiftdünner Strahl herausdrang. Massenhaft gerahmte Fotos, alte Stiche, Bleistiftzeichnungen hinter Glas. Entlang der Wände standen neoklassizistische Möbel in dunklen Holztönen; Wandtische und Stühle, die ich als Laie dem gustavianischen Stil zugeordnet hätte. Alles war so penibel aufgeräumt und sauber wie ein Museum.
    Ich ging den Flur entlang, der geradeaus in den quer dazu verlaufenden Gang des Vordergebäudes mündete, und dort nach links. Die Schilder an den Türen bestätigten meine Einschätzung des Grundrisses. Das Schloss an der Tür zum Büro des Executive Director hielt mich fast zwanzig Minuten lang auf, dann war ich endlich drin im Allerheiligsten.
    Doch die Durchsuchung des Schreibtisches und der Akten ergab nichts, das in irgendeiner Weise verdächtig gewesen wäre. Die meisten Papiere beschäftigten sich mit Details der Investition des Stiftungskapitals, der Rest betraf die Unterbringung der Laureaten im Grand Hotel: Dienstpläne und Ausweise für die dortigen Sicherheitsleute, Hotelrechnungen, eine Liste mit Datum, Uhrzeit und Flugnummern der Rückflüge und dergleichen mehr. Nichts, was nicht in den Zusammenhang gepasst hätte. Nicht der geringste Hinweis, dass die Stiftung in irgendeiner Form in Kristinas Entführung verwickelt war.
    Eine Weile saß ich reglos im Dunkeln und fragte mich, ob Dimitri Recht hatte und ich tatsächlich verrückt war. Was hatte mich

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