Der Nobelpreis
dass man den Namen des Herstellers hätte lesen können – die guten Codeschlösser tragen ohnehin keinen –, aber scharf genug, dass ich das Fabrikat wieder erkennen konnte. Ich blies unwillkürlich die Backen auf. Ganz offensichtlich spielte Geld für die Nobelstiftung keine Rolle, wenn es um Sicherheitstechnik ging. Das Ding zu knacken würde nicht leicht sein.
»Ja, denke ich auch, dass die nicht sparen müssen«, stimmte Dimitri mir auf meine diesbezügliche Bemerkung hin zu. Er schaltete auf eine andere Internetseite der Nobelstiftung. »Bitte sehr, der Finanzbericht.«
Ich traute meinen Augen nicht. Tatsächlich, haarklein stand da für jedermann zu lesen, wie hoch der augenblickliche Marktwert des investierten Kapitals war – 3,59 Milliarden Kronen –, der Wert der diversen Portfolios in Aktien und anderen Wertpapieren und so weiter, wie die Erträge ausgefallen und welche Kosten in welchen Bereichen entstanden waren und, natürlich, wie hoch die Nobelpreise dotiert waren: zehn Millionen Kronen jeder einzelne von ihnen.
»Okay«, meinte ich schließlich und bedeutete ihm, dass er die Seite wieder schließen konnte. »Dass sie Geld zu verschenken haben, ist ja eigentlich allgemein bekannt.«
»Und? Bist du kuriert von deinem Plan?«, fragte Dimitri. »Oder sehe ich dich wieder erst in sechs Jahren?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sechs Jahre? Damit komme ich das nächste Mal nicht davon. Aber es hilft nichts, ich muss da rein. Heute.«
»Wer zahlt so viel, dass sich dieses Risiko lohnt? Sag mir das, wenn du mein Freund bist. Für den würde ich auch gern arbeiten.«
»Es geht nicht um Geld«, sagte ich.
»Sondern? Eine Wette? Ein Rekordversuch?«
Ich deutete auf den Bildausschnitt mit dem Codeschloss.
»Das kriege ich auf. Und wie ich in den Hof komme, weiß ich auch. Da sieht mich um Mitternacht niemand, und ich kann in aller Ruhe arbeiten.«
»Okay, dann schau dir mal das hier an.« Er rief ein anderes Bild auf, eines aus den Innenräumen, vergrößerte einen anderen Ausschnitt. »Ich hätte eigentlich gedacht, dass dir das schon längst aufgefallen wäre. Wenn es selbst mir ins Auge sticht, einem Amateur.«
Ich starrte den Bildschirm an und hatte ein seltsam hohles, bodenloses Gefühl im Bauch. »Oh-oh«, hörte ich mich sagen.
»Das sieht nicht gut aus.«
»Eben. Ein Bewegungsmelder, wenn ich irgendetwas gelernt habe von einem gewissen Gunnar Forsberg«, konstatierte Dimitri. »Das Haus ist voll davon. Mach einen Schritt hinein, und der Alarm geht los.«
KAPITEL 42
Ich packte meinen schwarzen Rucksack gegen zweiundzwanzig Uhr. Auf dem Rückweg hatte ich an einer Tankstelle eine neue Taschenlampe gekauft, nichts Besonderes, aber es würde gehen. Seither hatte ich mehr oder weniger gerade noch genug Geld für die U-Bahn.
Birgitta sah mir schweigend beim Packen zu. Sie war verstimmt. Die dicke Luft war förmlich mit Händen zu greifen.
Als ich von Dimitri zurückgekommen war, hatte sie schon ein Abendessen im Topf gehabt, klassische köttbullar mit Kartoffelpüree, Preiselbeeren und Essiggurken. Vermutlich alles aus Dosen, Gläsern oder Tiefkühlpackungen herausgezaubert, aber sie hatte den Tisch aufwändig gedeckt, und es schmeckte gut. Danach hatte ich ihr erklärt, was ich vorhatte, und zu erklären versucht, warum. Letzteres war mir nicht befriedigend gelungen, nicht zuletzt, weil ich es selber nicht wusste. Eigentlich war es Wahnsinn. Eigentlich hatte ich keinen Grund. Ich wusste nicht einmal, was ich zu finden hoffte, und falls ich etwas fand, wusste ich nicht, was ich damit machen würde.
Wahrscheinlich war ich inzwischen durchgeknallt, ohne es zu merken. Aber mir das zu sagen half auch nichts.
»Was ist?«, fragte ich, als der Rucksack geschnürt war.
»Nichts«, sagte sie. »Alles bestens.« Sie sagte es in jenem Tonfall, den nur Frauen draufhaben und der besagt, dass nichts auch nur annähernd in Ordnung ist, geschweige denn bestens.
Ich sah sie an, aber wie jeder Mann in einer solchen Situation wusste auch ich nicht, was ich tun sollte; nicht einmal, was ich eigentlich verbrochen hatte. Und weil mir nichts anderes einfiel, sagte ich: »Gut. Ich gehe dann los.«
»Ja«, sagte sie. »Klar.«
»Ich komme wahrscheinlich erst in den Morgenstunden wieder.«
»Kein Problem.«
Ich zögerte noch einen Moment, aber sie sagte nichts mehr. Sie stand nur da, mit verschränkten Armen und steinernem Gesicht, und wartete, also ließ ich sie nicht länger warten, sondern schulterte
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