Der Nobelpreis
dieser Tollar Liljekvist einen an der Waffel hat, war ja nichts Neues. Im Grunde ist er ein armes Schwein, völlig verbohrt in seine Wahnvorstellungen. Aber das war wirklich die Krönung. Er scheint etwas gegen den dritten Mieter gehabt zu haben, der hier immer nur mit diversen Freundinnen übernachtet. Der hatte zwar auch am Samstag eine dabei – bloß minderjährig war die beim besten Willen nicht mehr.« Er kicherte. »Ich glaube, die fühlte sich sogar geschmeichelt, als die Polizisten allen Ernstes ihren Ausweis sehen wollten.«
Ich traute meinen Ohren nicht. » Tollar hat die Polizei gerufen?«
»Hat sich nachher herausgestellt, ja. Sie haben ihn abends in irgendeinem Park aufgegriffen, wo er halb nackt herumgelaufen ist und wirre Reden gehalten hat von wegen die Welt sei in den Händen Satans, das Ende nahe und solches Zeug. Ein paar Anwohner haben sich Sorgen gemacht, weil er ein Kleidungsstück nach dem anderen ausgezogen hat und es doch so kalt war. Da fällt mir ein, wo ist denn mein Geldbeutel …?«
Er hob den Zeigefinger und begann, sich suchend umzusehen.
»Meine Tante hat mir aufgetragen, Ihnen Geld zurückzugeben. Sie haben Tollars ausstehende Miete bezahlt, nicht wahr, und für die laufende Woche auch? Wir haben das Zimmer aber am Sonntag schon wieder vermietet.«
Ich winkte ab. »Lassen Sie. Ist schon in Ordnung.«
»Ja? Na, da fang ich keinen Streit an«, grinste er. »Ach, übrigens, ein Päckchen ist für Sie angekommen. Auch am Samstag. Ich habe an Ihrer Stelle unterschrieben und es in Ihr Zimmer gelegt; ich hoffe, das war in Ordnung so?«
Ich spürte mein Herz übergangslos wieder bis zum Hals schlagen.
»Ein Päckchen?« Mir fiel beim besten Willen niemand ein, der mir etwas hätte schicken sollen. An diese Adresse, die niemand kannte außer …
Außer Fahlander.
Oha. Ich bewegte probehalber die Finger. Das hieß, doch noch mal Alarmstufe Rot. »Danke«, sagte ich mit belegter Stimme. Ich warf einen Blick auf die anderen Zimmertüren.
»Wer wohnt denn nun hier?«
Göran Lind ging zurück in die Küche. »Das Zimmer neben Ihnen hat jetzt ein Journalist, aus Dänemark, glaube ich.
Berichtet über die Nobelfeiern, soweit ich weiß, und geht am Freitag wieder. Und er« – er deutete auf die Tür des dritten Mieters, den ich nie zu Gesicht bekommen hatte – »hat nur gelacht. Das ist so ein Typ, sage ich Ihnen.«
Ein Päckchen? Von Fahlander?
»Da scheine ich ja echt was verpasst zu haben.« Ich betrachtete die Tür zu meinem Zimmer und überlegte, was ich über Briefbomben wusste. Woran man sie erkannte.
Aber meine Gedanken liefen Amok, konstruierten Verbindungen, suchten Antworten. Kristina war immer noch verschwunden. War die Wahrheit womöglich ganz anders, als ich bis jetzt gedacht hatte? Fahlander. Was konnte er mit der Sache zu tun haben? Was verband ihn und Hans-Olof? Was steckte wirklich hinter allem?
»Ja, das waren aufregende Tage«, rief Göran aus der Küche. Er stand da, mit den Einkaufstaschen, und schien irgendetwas zu vermissen. »Der Kaffee!« Er ließ die Taschen fallen und schnappte seinen Schlüsselbund.
»Der Kaffee muss noch im Kofferraum liegen«, vertraute er mir an, während er in eine dicke Winterjacke schlüpfte. »Und ich habe mein Auto hundert Kilometer weit geparkt. Toll, was? Bis später.« Und hinaus war er zur Tür.
Ich stand einen Moment reglos in der ungewohnten staubigen Stille der leeren Wohnung. Was ging hier vor? Ich spürte ein Zittern in der Magengrube. Auf einmal war ich mir sicher, was ich in dem Päckchen finden würde.
Etwas Blutiges. Ein abgeschnittenes Ohr vielleicht, oder ein abgetrennter Finger. Auf jeden Fall aber etwas von Kristina, und dazu ein Brief mit Forderungen.
Ich drückte die Klinke, schaltete das Licht an. Alles sah aus, wie ich es verlassen hatte, abgesehen vom Bett, das jemand gemacht hatte. Es war kalt, seit Tagen ungeheizt, laut, und es stank nach Abgasen. Die Schränke sahen unberührt aus, der Stuhl vor dem kleinen Tisch stand leicht schräg, weil ich mir darauf am Samstagmorgen noch die Schuhe zugebunden hatte.
Und auf dem Tisch lag das Päckchen.
Ich schloss die Tür hinter mir, lehnte mich dagegen, überlegte. Wer wollte mich daran hindern, einfach meine Sachen zu packen und zu gehen? Ich konnte einen Zettel in die Küche legen, dass ich aus irgendwelchen Gründen dringend hatte ausziehen müssen. Bezahlt war die Miete bis Ende der Woche … Sollte Fahlander sich doch wundern, dass ich nicht
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