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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Hans-Olof.
    » Nina! « , rief die Frau nach hinten. »Gehst du mal ran?« Mit einem raschen Griff holte sie Eimer und Wischlappen unter ihrer Theke hervor.
    Aus dem Hintergrund tauchte eine schlanke, griesgrämig dreinblickende Frau auf und nahm ab. Hans-Olof blieb stehen, sah zu, wie die Kassiererin vor ihm aufwischte, versuchte mitzuhören, was geredet wurde, versuchte da zu sein …
    »Ja«, sagte die Frau am Telefon in unleidigem Tonfall, und dann: »Nein. Nicht dass ich wüsste.«
    Hier bin ich!, wollte Hans-Olof rufen, aber kein Wort kam ihm über die Lippen. Die falsche Person hatte abgehoben! Das hatte er nicht ahnen können.
    »Hören Sie«, beschied die schlecht gelaunte Frau namens Nina dem Anrufer, »an der Verpackung war absolut nichts zu sehen. Ich weiß nicht, wieso das Milchpulver verdorben war, es war eben so. Ja, wir haben jedes einzelne Päckchen aufgemacht. Alle. Also, so was sieht man doch. Irgendein schleimiges Zeug, keine Ahnung; ich habe Ihnen eins aufgehoben, falls es Sie interessiert. Eins, ja. Bitte? Natürlich, den Rest haben wir weg … Wozu denn? Das hätten Sie sowieso niemandem mehr verkaufen können.«
    Hans-Olof atmete auf. Der Anruf galt nicht ihm. Und es war zwei vor zehn.
    Ninas ohnehin schlechte Laune wurde mit jeder Minute schlechter. »Also, passen Sie auf, so was muss ich mir von Ihnen nicht anhören. Rufen Sie meine Chefin an; die ist für so einen Scheiß zuständig. Hejd å ! « Sie hängte mit einer Wucht ein, dass man um den Apparat fürchten musste.
    Hans-Olof nahm sich erleichtert eine frische Tasse Kaffee und kehrte an seinen Tisch zurück. Es wurde zehn, fünf nach zehn, zehn nach zehn. Um viertel nach zehn war die Tasse längst leer, aber bei dem Gedanken an eine dritte drehte sich Hans-Olof der Magen um. Um halb elf ging die Kassiererin mit einem Wischtuch über die Edelstahltheke und ein paar Tische in der Nähe und fragte: »Soll ich Ihnen noch einen bringen, Professor?«
    Hans-Olof schüttelte den Kopf. » Nej, tack. « Der Journalist würde so spät wohl nicht mehr anrufen. Offensichtlich war ihm etwas dazwischengekommen. »Ich muss sowieso gehen.«
    Den Rest des Tages verbrachte er in kaum geringerer Anspannung als den Morgen. Er schrieb endlos an einem völlig belanglosen Brief, formulierte die Absätze immer aufs Neue um und löschte schließlich den gesamten Text. Er sortierte Fotokopien, stellte seine Bücher im Regal um, blätterte in irgendwelchen Ordnern, die er seit ewigen Zeiten nicht mehr zur Hand genommen hatte, und ging so früh wie möglich nach Hause.
    Kein Anruf an diesem Abend. Er saß auf der Couch, schaltete durch die Fernsehprogramme, ohne irgendetwas davon wahrzunehmen, und wartete. Um Mitternacht stahl er sich wieder hinaus und fuhr zu einer Telefonzelle, zu einer anderen diesmal. Doch Bengt Nilsson war unter keiner seiner Telefonnummern erreichbar, so oft er es auch versuchte.
    Der Journalist würde es bestimmt morgen noch einmal in der Cafeteria versuchen. Tatsächlich war sich Hans-Olof nicht mehr sicher, ob er Nilsson nicht vielleicht sogar falsch verstanden hatte und sie sowieso erst am morgigen Tag verabredet gewesen waren. Denn: Was hätte er denn erreichen wollen in nicht einmal vierundzwanzig Stunden? Genau. So musste es sein. Ein Missverständnis.
    So ging er am nächsten Morgen wieder in die Cafeteria, nahm wieder einen Kaffee, und die Kassiererin war zum Glück dieselbe wie am Vortag. Er setzte sich an denselben Tisch, um die Uhr zu beobachten und auf den Anruf zu warten. Irgendjemand hatte eine Zeitung liegen lassen, ausgerechnet das aktuelle SVENSKA DAGBLADET. Hans-Olof blätterte geistesabwesend darin, überflog einige der Artikel und fragte sich, welche davon noch auf freier Berichterstattung beruhen mochten und welche auf Anweisung mächtiger Hintermänner in das Blatt gelangt waren.
    Und da, fünf Seiten vor Schluss, war ein großes Foto von Bengt Nilsson. Schwarz umrahmt, mitten in den Todesanzeigen. Die Redaktion des SVENSKA DAGBLADET trauerte um ihren Kollegen und Freund, der plötzlich und unerwartet in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch von einem Herzinfarkt aus der Blüte seines jungen Lebens gerissen worden war.
    Hans-Olof starrte die Seite an und hatte das Gefühl, einen Albtraum zu träumen.
    Bengt Nilsson war tot. Da stand es. Ein Herzinfarkt? Stimmt, der Mann hatte schlecht ausgesehen, als sie sich am Dienstagmittag getroffen hatten, aber das Herz …? Hans-Olof las das angegebene Geburtsdatum, rechnete. Keine

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