Der Nobelpreis
ich mich einfach im Luftschacht versteckte? Mucksmäuschenstill abwartete, bis sie wieder das Weite suchten? Das Gitter ließ sich von innen einhängen, die fehlenden Schrauben würden nicht ohne weiteres auffallen … Aber falls sie einen Suchhund mitbrachten, war es eine denkbar schlechte Idee, sich ausgerechnet im Zustrom der gesamten Luft dieses Stockwerks aufzuhalten.
Nein, das hatte keinen Zweck. Die Frage war, was die Polizisten wussten. Wussten sie definitiv, dass jemand im Gebäude war? Oder handelte es sich nur um einen Verdacht, einen Alarm, dessen Auslöser erst noch festgestellt werden musste?
Ein Glockenton, ganz, ganz weit entfernt, aber trotzdem lauter als mein Herzschlag, ließ mich aufsehen. Tatsächlich, einer der Aufzüge hatte sich in Bewegung gesetzt, und jetzt folgte ihm ein zweiter.
Hatten die keine Angst, dass hier jemand warten könnte, der entschlossen war, sich den Weg freizuschießen?
Ich gab die Idee mit dem Lüftungsschacht auf – sie hatte mir ohnehin nicht besonders gefallen – und hängte das Gitter wieder ein. Dann hüpfte ich vom Tisch, schob ihn an seinen alten Platz und die Schrauben in die Hosentasche und war wie der Blitz am Notausgang und im Treppenhaus.
In weiser Voraussicht hatte ich ein Holzstück in die Tür geklemmt und sie so am Zufallen gehindert. Ich brauchte sie einfach nur zu öffnen und hinter mir zuzuziehen, ohne mich um das Alarmkabel über dem Türgriff kümmern zu müssen. Während ich unten schon die Schritte von wenigstens fünf Männern hörte, die die Treppe zu Fuß hochkamen, zog ich den Magneten ab, huschte ins Stockwerk darunter, nestelte hinter mir das Alarmkabel wieder über den Griff, entfernte den Magneten ebenfalls und suchte in der Praxis von Doktor Henrik Ubbesen Zuflucht, die ich eigentlich nie wieder zu betreten vorgehabt hatte.
Und diesmal dauerte das Öffnen des Schlosses nicht einmal fünf Sekunden.
Mein Plan war eine Variante der Sache mit dem Lüftungsschacht: mich verstecken und warten, bis sie wieder abzogen. Hochhäuser sind schnell abgeriegelt, sie zu durchsuchen aber ist denkbar aufwändig. Erst recht, wenn die Suche gründlich vonstatten gehen soll und der Gegenstand der Suche es darauf anlegt, nicht gefunden zu werden. Spätestens wenn morgen früh die ersten Angestellten an ihre Arbeitsplätze zurückwollten, würden sie aufhören müssen. Und dann würde ich es irgendwie schaffen, ungesehen zu verschwinden.
Ich setzte mich neben der Tür auf den Boden, mit dem Rücken zur Wand, lehnte den Kopf nach hinten, schloss die Augen und lauschte. Wieder einmal warten. Die Zeit verstreichen lassen. Nicht daran denken, dass es nicht nur mein eigenes Leben war, das ruiniert sein würde, wenn sie mich fanden.
Ich schreckte hoch, als ich Geräusche hörte, und sah auf die Uhr. Anderthalb Stunden waren vergangen, ohne dass ich es bemerkt hatte.
Ich lauschte. Es klang nicht gut, was ich hörte. Sie waren immer noch da, und so, wie es sich anhörte, durchsuchten sie das Gebäude allen Ernstes Stockwerk für Stockwerk, Raum für Raum. Ich konnte hören, wie sie ein paar Wände weiter Schranktüren öffneten und wieder schlossen. Es war wirklich ein sehr hellhöriges Gebäude, und mir kam flüchtig der Gedanke, dass der Aufmarsch der Polizei vielleicht damit etwas zu tun haben mochte. Dass noch jemand im Gebäude gewesen sein konnte, der mich gehört hatte.
Türen wurden wieder abgeschlossen. Schwere Schritte im Gang. Und sie näherten sich der Zahnarztpraxis.
Jetzt musste mir etwas einfallen.
KAPITEL 26
Björn Orrenius hasste es, Nachtschicht zu haben. Insbesondere hasste er es, sie mit sinnlosen Aktionen anstatt mit einer Zeitung und einer Kanne Kaffee verbringen zu müssen. Der Typ war doch längst weg, jede Wette. Falls nicht bloß irgendjemand Halluzinationen gehabt hatte. Aber der Chef wollte mal wieder Eindruck schinden. Deshalb mussten sie sich zu viert mit diesem schwerfälligen Hausmeister Stockwerk für Stockwerk durch das Gebäude arbeiten, alle Etagen bis hoch zum Dach. Unten standen sich welche von der Bereitschaft die Beine in den Bauch, und aller Voraussicht nach würde sich das Ganze bis in die Morgenstunden hinziehen.
Kein Wunder, dass seine Ehe in die Brüche gegangen war. Seine Ex hatte inzwischen einen Neuen, einen Verwaltungsangestellten. Der musste bestimmt keine Nachtschichten schieben, verdammt. Immerhin brauchte sie jetzt auch keinen Unterhalt mehr von ihm, das war immerhin etwas. Bloß wann er selber jemand
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