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Der normale Wahnsinn - Roman

Titel: Der normale Wahnsinn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beaumont
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paar Minuten vor O’Neill’s stehen lassen, wo sie ein paar Kumpels getroffen haben. Carlton ist immer knapp bei Kasse. Er ist gerade arbeitslos.
    »Ich strecke ihm den Rest vor«, sage ich. In diesem Moment kommt Paul aus dem Imbiss. »Komm, lass uns gehen.«
    Ali : Paul klettert zurück in den Wagen – mit zwei Portionen Pommes frites. Er hat heute Abend zwar tüchtig zugelangt, sogar von allem nachgenommen, doch bei Essen kann er selten widerstehen. Trotzdem nimmt er nicht merklich zu. Mit den Jahren haben sich an seinem schlanken Körper kaum irgendwelche Rundungen herausgebildet. Wenn ich meine Zukunftspläne in die Tat umsetzen sollte, wird er mitziehen, aber im Gegensatz zu mir nicht aufgehen wie ein Hefekloß.
    Wir essen schweigend, während die Wagenfenster von innen beschlagen. Während ich die essiggetränkten Pommes genieße, steigt meine Laune, und es tut mir leid, dass ich eben so schnippisch gewesen bin. Meine Mutter hatte Recht: Paul ist ein wirklich lieber Mann . Warum träume ich nur davon, ihn umzubringen? Er hat meine Launenhaftigkeit nicht verdient, geschweige denn den Tod. So ein lieber Mann . Ich frage mich, ob er noch auf mich steht, wenn ich erst mal siebenundfünfzig bin …
    »Hast du Michele gesehen?«, frage ich ihn.
    »Nein, wann?«
    »Gerade eben. Sie ging mit ihrer Freundin die Straße entlang. Hat sich versteckt, als sie dich gesehen hat.«
    »Wirklich? Bin ich so Furcht erregend?«
    »Und ob. Sie ist jetzt im Imbiss. Ich frage mich, warum sie nicht gesehen werden wollte.«
    »Welcher Teenager trifft samstagabends schon gern auf einen langweiligen Typen mittleren Alters?«
    »Du bist nicht langweilig, Schatz.«
    »Jeder über dreißig ist langweilig, zumindest in den Augen einer Achtzehnjährigen, aber trotzdem danke.« Er schwenkt seine Pommestüte, um den Essig besser zu verteilen. »Du machst dir Sorgen um sie, oder?«
    »Um Michele? Nein … Ja … Manchmal. Sie meint es immer so gut, tut alles mit den besten Absichten, selbst wenn sie’s wieder mal verbockt hat. Hab sie heute das Schaufenster machen lassen. Es sah einfach lächerlich aus – sie hat für solche Sachen einfach kein Händchen.«
    »Das hast du ihr aber nicht gesagt, hab ich Recht?«
    »Wie auch? Sie versucht so verzweifelt, es mir recht zu machen. Das ist eine sehr heikle Phase, in der sie sich befindet. Und doch warte ich irgendwie auf den Tag, an dem alles zusammenbricht.«
    Michele, die Teenagertochter, die ich nie haben werde. Paul weiß, dass ich genau das im Moment denke. Und er weiß auch, dass er dergleichen nie aussprechen sollte.
    »Vermutlich wäre ihr Leben zusammengebrochen, wenn du sie nicht eingestellt hättest«, sagt er stattdessen.
    »Vielleicht. Ihr Vater ist im Gefängnis, weißt du.«
    »Ach ja? Wann hast du das denn rausgefunden?«
    »Heute Morgen. Sie hat’s mir nicht direkt erzählt, aber sie nannte beiläufig seinen Namen. Also hab ich ihn bei Google eingegeben, als sie in der Mittagspause war. Erinnerst du dich noch an den Mord in dem Nachtclub im Finsbury Park? Das ging vor einigen Jahren durch die Presse.«
    »Nein, die Sache sagt mir nichts.«
    »Du weißt doch, als diese drei schwarzen Schläger einen weißen Teenager zu Tode geprügelt haben. Die Zeitungen warenvoll davon. Man wollte die Sache zu einem Rassenkrieg hochpushen damals.«
    »Ach, ja, ich erinnere mich wieder an die Tirade von Sun -Kolumnist Littlejohn, der meinte, wir hätten wohl eine Fortsetzung des Falls Stephen Lawrence erlebt, wenn weiße Schläger einen Schwarzen zu Tode geprügelt hätten.«
    »Nun, Micheles Vater war einer jener Schläger.«
    »Ach herrje. Die haben lebenslänglich bekommen, oder?«
    »Genau. Er war gerade fünfunddreißig, als er in den Knast wanderte.«
    »Was für ein schlimmes Schicksal für das Mädchen.«
    »Na ja, ich hab nicht den Eindruck, dass er vorher viel für sie da gewesen ist, aber es bleibt natürlich trotzdem ein schlimmes Schicksal.«
    Mir geht auf, dass verglichen mit Micheles Leben meine eigene Misere plötzlich in einem etwas anderen Licht erscheint. Dem Herrn sei Dank für Google … Obwohl ich ein schlechtes Gewissen habe, in ihrem Privatleben herumgestochert zu haben. Dieses verdammte Google. Macht uns alle irgendwie zu Schnüfflern.
    »Ich hab diesmal ein gutes Gefühl, weißt du«, sagt Paul nach einer Weile.
    Er hat sich soeben thematisch auf sehr dünnes Eis begeben. Ist drauf und dran, das Tabu zu brechen. Wir reden nie über Wahrscheinlichkeiten,

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