Der normale Wahnsinn - Roman
immer dazu bewogen, das Ganze im Werbeblock des betreffenden Abends unterzubringen. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, war einfach nur geschockt. Doch als er mir am Ende den Ring präsentierte – auf der Kinoleinwand und »in echt«, daklatschte der ganze Saal Applaus. In diesem Moment »nein« zu sagen, wäre mehr als schäbig gewesen, oder nicht? Außerdem wollte ich es ja auch. Gott allein weiß, wie gern ich diesen unglaublichen Mann heiraten wollte …
Doch was zum Teufel ist dann passiert? Mit uns passiert? Mit ihm? Und wann ist es passiert? Mir scheint, als gab es keinen bestimmten Moment, in dem die Sache kippte. Oder vielleicht doch? Vielleicht war ich aber auch nur zu beschäftigt, um es zu bemerken.
Wieder dringt Gelächter zu mir in den ersten Stock. Lachen sie über mich? Wahrscheinlich. Komm schon, Kate, der Abend ist doch fast vorbei. Den Rest wirst du auch noch mit Anstand hinter dich bringen können. Also reiß dich endlich zusammen. Du bist doch eine starke Frau .
Siobhan : »Also ich finde das ziemlich beängstigend«, sage ich. »Ich meine den Gedanken, dass hier womöglich Einbrecher durch unsere Hintergärten schleichen.«
»Du fühlst dich nicht sicher, stimmt’s?«, meint Ali.
»Jetzt macht aber mal halblang. Ihr hört euch an wie Revolverblätter-Abonnenten«, spottet Dominic.
»Sei nicht unfair«, protestiere ich.
»Wir sind hier ja schließlich nicht in Detroit, oder?«, sagt er.
»Nur wenige Häuser neben uns wurde eingebrochen, während wir hier zu Abend gegessen haben. Was, wenn wir heute bei Ali oder Kate gewesen wären? Uns hätte es genauso treffen können. Im Gegensatz zu dir finde ich schon, dass das ein Grund zur Besorgnis ist.«
Dom zuckt die Achseln. »Es ist doch nur ein Einbruch. Irgendwer hat sich ’nen DVD-Player und ein paar Ohrringe unter den Nagel gerissen, na und? So was kann man auch Vermögensumverteilung nennen. Die New Labour wandelt sich ja ohnehin gerade zur alten Tory-Partei. Vor diesem Hintergrund ist so was doch nichts weiter als die praktische Umsetzung ihrer alten sozialistischen Ziele.«
»Sag mal, stellst du dich gerade absichtlich dumm, oder was?«, fragt Ali.
»Als ob das je anders war«, sage ich. »Vorschlag, Dom: Nächstes Mal, wenn wir das Haus verlassen, lassen wir die Eingangstür sperrangelweit offen und deine Rolex auf dem Dielenschrank zurück, okay? Unser kleiner Beitrag zur Erfüllung des sozialistischen Traums.«
»Was ist das eigentlich, der Sozialismus?«, lässt sich Kate vernehmen. »Ich dachte immer, der wäre zusammen mit den Ballonröcken zu Grabe getragen worden.« Spricht’s und kommt auf ihren langen Beinen in den Raum zurück. Wirklich eine starke Frau. Die meisten fallen nach einer von Doms Attacken für den Rest des Abends in sich zusammen.
»Ballonröcke«, murmelt Dom offenbar auf der Suche nach einer geistreichen, zumindest jedoch witzigen Erwiderung, doch die bleibt er ausnahmsweise schuldig.
»Wir diskutieren gerade über Kriminalität«, erkläre ich Kate. »Heute Abend wurde nämlich in eines der Nachbarhäuser eingebrochen.«
»Ja, ich hab die Polizisten an der Tür stehen sehen. Das ist schrecklich. Wenn ich so die Zeitungen lese, weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Müssen wir uns nun Sorgen machen, oder nicht? Steigt die Kriminalität in diesem Lande, oder geht sie zurück? Man weiß einfach nicht mehr, was man glauben soll.«
»Ich kenne zwar nicht die aktuelle Verbrechensstatistik, aber es scheint wirklich so, als ob die Welt um uns herum langsam, aber sicher aus den Fugen gerät«, sagt Paul. »Sogar Ali hat inzwischen ihren höchstpersönlichen Stalker.«
»Ach wirklich?«, quietscht Kate.
»Das hast du mir ja gar nicht erzählt, Ali«, sage ich.
Ali schweigt, und ihr Gesicht nimmt eine kränklich grüne Färbung an. Entweder ist das Thema zu heikel, um darüber zu reden, oder mein Dorsch ist ihr auf den Magen geschlagen.
»Der Typ lungert immer vor ihrem Laden herum«, erzählt Paul weiter. »Sitzt jeden Tag vor dem Starbucks und starrt zu dir rüber, oder?« Die Frage ist an Ali gerichtet. »Ja, er kommt fast jeden Tag und –«
Er unterbricht sich abrupt. Offensichtlich ist er noch nüchtern genug, um die warnenden Blicke seiner Frau richtig zu interpretieren. Ich vermute, er hat da irgendwie ein heißes Eisen angepackt.
»Kommt schon, Leute, raus mit der Sprache«, sagt Dom, dessen Neugier erwacht ist. »Erzählt uns die ganze Geschichte.«
»Da gibt’s nicht viel zu
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