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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Emilie so erbärmlich, dass sich auch andere Fahrgäste um sie kümmerten.
    Auch der Fahrkartenkontrolleur schien von seiner eigentlichen Aufgabe abgelenkt und erschien neben Emilie, die im Schoß der älteren Frau lag und noch immer vor sich hin jammerte.
    Bei der nächsten Haltestelle rief Leo von hinten: »Er steigt aus!«
    Emilie sprang blitzschnell vom Schoß der Alten. »Geht schon wieder besser!«, sagte sie und hüpfte Leo hinterher aus der Straßenbahn.
    Zurück blieben die verdutzten Fahrgäste und der Kontrolleur.
    »Der geht zu Wertheim!« Leo zeigte auf das große Kaufhaus am Potsdamer Platz, in dem Herr Kahlenberg soeben verschwand. »Sollen wir warten, bis er wieder rauskommt?«
    »Nee, wir müssen sehen, was er da macht!«
    »Du meinst, ob er da auch Opferstöcke …«
    »Im Wertheim gibt es keine Opferstöcke.«
    »Ach, das hätte ich aber nicht gedacht.«
    »Blödmann.«
    »Selber Blödmann.«
    »Wenn schon, Blödfrau. Komm!«
    Verborgen hinter Regalen und Kleiderständern, blieben sie Kahlenberg dicht auf den Fersen. Im zweiten Stock schlenderte Kahlenberg zwischen den langen Kleiderständern umher, an denen Herrenanzüge von meist dunkler Farbe säuberlich nebeneinanderhingen. Hin und wieder zog er einen der Anzüge heraus, hielt ihn vor sich hin, betrachtete sich dabei imSpiegel und steckte den Anzug dann wieder in den Ständer zurück.
    »Kann ich den Herrschaften helfen?«
    Emilie und Leo drehten sich erschrocken um. Vor ihnen stand ein junger Verkäufer. Er blickte die beiden mit großen Augen hinter einer dicken Brille argwöhnisch an.
    »Also, wir, äh …«, stammelte Leo verlegen.
    Emilie stemmte die Hände in die Hüften und sagte ein wenig lauter als nötig: »Können Sie, junger Mann, können Sie.«
    Nicht nur der Verkäufer schaute jetzt eingeschüchtert, auch Leo.
    »Dieser junge Herr sucht einen Konfirmationsanzug.«
    Emilie zeigte auf Leo und lächelte. Der Verkäufer blickte noch argwöhnischer, wobei seine Augen noch größer zu werden schienen. Er stand direkt vor Leo und sah abschätzig auf ihn hinunter. Nach kurzem Überlegen sagte er zu Emilie: »Ich fürchte, da muss er in die Kinderabteilung. Hier gibt es nur Anzüge für Erwachsene.«
    »So was!« Emilie schüttelte ungläubig den Kopf. »Wir dachten, wir sind hier goldrichtig.«
    Wieder war ihre Stimme ein klein wenig zu laut. Auch ein wenig zu forsch.
    »Wir dachten, wir versuchen es mal hier, weil doch der junge Mann schon so groß ist.«
    Sie legte ihre Hand auf Leos Schulter. Der Verkäufer schmunzelte überheblich. Leo wurde rot im Gesicht und Emilie freute sich diebisch darüber.
    »Und wie kommen wir dahin?«
    »Geradeaus, dann die Treppe hoch in den dritten Stock.«
    Er zeigte zwischen den Kleiderständern hindurch, wo Kahlenberg gerade zwei dunkle Anzüge herausnahm, mit denen er in einer Garderobe verschwand. Wir konnten nur noch sehen, wie er den Vorhang hinter sich zuzog.
    Emilie und Leo folgten dem ausgestreckten Arm des Verkäufers, der ihnen noch immer mit misstrauischen Blicken hinterhersah. Emilie drehte sich im Gehen ständig um und winkte auffällig und übertrieben zurück, bis es dem Verkäufer zu unangenehm wurde, sodass er verschwand. Emilie und Leo tauchten hinter einem Kleiderständer ab.
    »Schnell, zur Garderobe!«
    Gebückt schlichen sie sich hinter den Anzügen und Hosen in die Nähe der Garderobe. Dort kauerten sie sich auf den Boden und sahen, wie Herr Kahlenberg soeben den Vorhang wieder aufgezogen hatte und die Garderobe verließ.
    »Der hat nur noch einen Anzug in der Hand«, sagte Emilie überrascht.
    »Na und?«
    »Na und, na und!«, äffte sie Leo nach. »Wo ist der andere?«
    »Welcher andere?«
    »Mann, du kapierst aber auch gar nichts. Er ist mit zwei Anzügen rein und kommt mit einem raus. Und?«
    »Was und?«
    »Wo ist der andere Anzug?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hätte ich mir denken können!«
    Kahlenberg ging wieder zum Kleiderständer. Er hängte den Anzug dorthin zurück, wo er ihn zuvor herausgenommen hatte. Dann schlenderte er gemächlich und unauffällig an seiner Jacke zupfend zur Treppe.
    »Der haut ab! Mit dem Anzug!«
    »Welcher Anzug?«
    »Der hat den neuen Anzug unter seinen alten gezogen«, versuchte Emilie zu erklären.
    »Oh!« Leo schien zu kapieren. »Hinterher!«
    »Nun?«, fragte eine Stimme. Der junge Verkäufer mit der dicken Brille stand schon wieder hinter ihnen. »Habt ihr einen gefunden?«
    »Was gefunden?«, fragte Leo.
    »Einen Konfirmationsanzug.«
    »Na

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