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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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wenig zu essen bekam oder von Natur aus ein Vielfraß war, wusste keiner.
    »Wir warten auf besseres Wetter!«, sagte Leo.
    »Na dann viel Spaß!« Der Kellner kicherte und zog mit seinem Tablett wieder ab.
    Aber nicht nur der Kellner verschwand. Auch an Elses Tisch tat sich etwas.
    »Der Backenbart«, flüsterte Emilie. »Er geht! Los, hinterher!«
    »Emilie!« Das war ihre Mutter, die jetzt fordernd nach ihrer Tochter rief. »Wo wollt ihr denn so schnell hin?«
    »Äh …« Emilie schien nichts einzufallen.
    Leo schon. »Aufs Klo«, sagte er.
    »Beide?«
    Sie nickten.
    »Na, dann aber schnell.«
    Sie stürzten davon, während Emilies Mutter kopfschüttelnd zurückblieb.
    Am Klo bogen sie ab und schlichen mit eingezogenen Köpfen zum Ausgang, aus dem Dr. Kahlenberg soeben verschwunden war.
    »Wo ist er?«
    Sie schauten die Straße vor dem Romanischen Café rauf und runter.
    »Da! Er geht in die Gedächtniskirche!«
    »Komisch. Will der beten?«
    »Vielleicht beichten.«
    »Hinterher!«
    In der Kirche war niemand außer Kahlenberg. Es war düster und roch nach Weihrauch und feuchtem Keller. Emilie und Leo sahen vom Eingang aus, wie Herr Kahlenberg an den Stuhlreihen vorbei nach vorne zum Altar ging. Dabei blickte er sich mehrmals um. Leo und Emilie zählten bis drei. Dann schlichen sie auf allen vieren hinter einen großen Holzkasten, der an einen Beichtstuhl erinnerte, in der Nähe des Eingangs. Die Glocken läuteten. Die ganze Kirche war von dem Klang erfüllt. Emilie zog leise die Tür des Kastens auf und bedeuteteLeo, er solle schleunigst darin verschwinden, indem sie mehrmals mit dem Kopf nickte. Leo aber tippte sich nur mit dem Finger an die Stirn. Emilie machte ein böses Gesicht und schob Leo langsam vor sich her in den Holzkasten. Nachdem auch sie darin verschwunden war, zog sie die Tür leise hinter sich zu – gerade noch rechtzeitig, denn Herr Kahlenberg blickte sich jetzt wieder um und schaute genau in ihre Richtung.
    »Was soll das?«, fragte Leo flüsternd, während sie zusammengepfercht in dem engen, muffigen Kasten saßen. Es roch nach Schweiß, Holzwolle und Rasierwasser.
    Emilie sah aus dem kleinen Fenster mit dem getönten Glas an der Tür. »Der betet gar nicht«, flüsterte sie. »Ist in der Kirche und betet nicht.«
    »Na und? Wir sind ja auch in ’ner Art Beichtstuhl und beichten nicht.«
    »Schlaumeier!«
    »Zimtzicke!«
    Emilie grinste. Leo auch.
    »Ich werd verrückt!«, stieß Emilie plötzlich hervor.
    »Aber leise, wenn’s geht!«, sagte Leo.
    »Der knackt den Opferstock! Schau!«
    Jetzt blickte auch Leo durch das getönte Glas. Tatsächlich, Kahlenberg hielt eine Zange in der Hand und durchtrennte die Kette am Opferstock. Dann zog er einen kleinen Beutel aus der Tasche und ließ den Inhalt aus dem Opferstock hineinfallen. Es klirrte. Ein Geldstück hüpfte auf den Steinboden. Kahlenberg zuckte zusammen, blickte sich nervös um und huschte zum Ausgang.
    »Der macht sich davon!« Emilie stieß die Tür auf. Leo und ich fielen in hohem Bogen aus dem hölzernen ungetüm undlandeten auf dem Steinboden. Emilie sprang über uns hinweg. »Was ist? Wollt ihr ein Mittagsschläfchen halten?«
    Leo rappelte sich auf und steckte mich zurück in die Hose.
    Als die beiden die Kirche verlassen hatten, sahen sie Kahlenberg am Kiosk gegenüber der Gedächtniskirche, wo er sich eine Zeitung kaufte.
    »Gute Idee«, sagte Leo. Emilie sah ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Leo kaufte sich ebenfalls eine Zeitung, zog mich aus dem Hosenbund und wickelte mich ins Papier. Endlich schien Emilie zu verstehen.
    »Und wo ist das Loch?«, fragte sie.
    »Was für’n Loch?«
    »Damit er was sieht, du Trottel!«
    »Wer?«
    »Mein Gott, du kapierst aber auch gar nichts.«
    Sie entriss mich Leo und pulte in Gesichtshöhe ein Loch in die Zeitung, sodass ich alles sehen konnte. Dann knallte sie mich Leo wieder vor die Brust.
    »Jetzt aber schnell! Er steigt in die Straßenbahn.«
    Die beiden überquerten die Straße. Sie warteten, bis Kahlenberg in einem Waggon verschwunden war, und hüpften dann in einen anderen.
    »Die Fahrkarten bitte!« Ein Kontrolleur ging von Sitz zu Sitz den Gang entlang.
    »Mist!«, fluchte Leo. »Und jetzt?«
    »Lass mich nur machen«, sagte Emilie, taumelte zwischen den Sitzen entlang und stöhnte: »Hilfe! Hilfe!«
    »Was ist denn mit dir, Mädchen?«, fragte eine ältere Frau und legte den Arm um Emilies Schulter.
    »Mir ist schlecht … und schwindlig«, jammerte

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