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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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nicht! Zu spät. Rosa griff danach. Noch ehe ihre Finger das Papier berühren konnten, zog der Mann den Zettel weg.
    »Mal sehen, was draufsteht!«
    Er drehte ihn um und warf einen kurzen Blick darauf. In diesem Moment rempelte Adam ihn an. Der Mann wankte, fiel und landete auf dem Pflaster.
    »Komm!«, rief Adam. Er und Rosa rannten los. Ich schaukelte in ihrer Tasche hin und her, dass mir speiübel wurde. Die Flugblätter rutschten Rosa unter dem Pullover hervor und landeten auf der Straße, wo sie vom Wind hin und her geweht und auf dem Pflaster verteilt wurden.
    Der Uniformierte war von Adams Attacke so überrascht, dass er nichts sagen, geschweige denn reagieren konnte. Er brauchte lange, bis er auf die Beine kam. Dann pfiff er in seine Trillerpfeife, dass Rosa und Adam, fast schon außer Sichtweite, zusammenzuckten. Der Pfiff ging auch mir durch Mark und Bein. Nicht nur mir, auch Dr. Rudolf und Frau Weniger, die ein paar Meter weiter ebenfalls eng umschlungen an einer Litfaßsäule standen. Auch sie küssten sich, bis der Pfiff die beiden auseinandertrieb, als wäre das eine Spiel beendet, und ein anderes würde beginnen, ähnlich gewagt, ähnlich gefährlich.
    Auch sie nahmen jetzt die Beine in die Hand und rannten los. Unter Frau Wenigers Pullover rutschten die Handzettel ebenfalls hervor und landeten auf der Straße.
    »Da rein!«, befahl Dr. Rudolf, nachdem wir an einer Straßenecke abgebogen waren. Er öffnete eine Haustür. Alle verschwanden in einem dunklen Treppenhaus. Nichts war mehr zu hören, nur der zitternde Atem der vier, der sich nicht beruhigen wollte. Dann waren schwere, laute Stiefelschritte zu vernehmen, die an der Tür vorbeipolterten und langsam verhallten.
    »Glück gehabt!« Dr. Rudolf wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er umarmte Frau Weniger, die am ganzen Leib zitterte und vor Erleichterung leise weinte. Rosa umarmte Adam, der ebenfalls schlotterte, als käme er direkt aus Sibirien.
    Verdammtes Glück , dachte ich und spürte die Schweißperlen auf meiner Stirn, die fröhliche Feste feierten.
    * * *
    Wir trafen uns im Behandlungszimmer von Zahnarzt Dr. Rudolf. Es war ein Ort, an dem sich mehrere Leute gleichzeitig treffen konnten, ohne Aufsehen und Verdacht zu erregen. Betrat man eine Zahnarztpraxis, dachte jeder, der davon erfuhr, zuerst an Zahnschmerzen. Doch keiner der Leute, die sich jetzt im Behandlungszimmer versammelt hatten, litt an Zahnweh. Weder Henry Donald, der Finanzattaché an der amerikanischen Botschaft, noch Hiltrud Gabriel, Frau Weniger, Adam Hinkel, Frau Rosengarten, Rosas Vater und Rosa selbst. Sie alle hatten sich nur deshalb in der Arztpraxis um den großen Behandlungsstuhl herum versammelt, weil sie gegen Hitler kämpfen wollten. Es ging ihnen um den Widerstand gegen das verbrecherische Regime, dem Rosa zufolge schon Millionen Menschen zum Opfer gefallen waren.
    Diesmal waren sie wegen eines ganz speziellen Problems zusammengekommen, über das sie sich im Behandlungszimmer nun die Köpfe zerbrachen. Rosa erzählte mir, dass ihr Vater, getarnt als Parteimitglied, im Reichswirtschaftsministerium der Nazis arbeitete. Von dort versuchte er geheime Informationen herauszuschmuggeln. Es ging um vertrauliche Verträge und geheime Handelsabkommen mit anderen Staaten. Die Kopien dieser geheimen Informationen sollte Rosas Vater an Henry Donald weitergeben, der sie wiederum an die Amerikaner weiterleitete, damit diese einen besseren Einblick in Hitlers Naziregime gewinnen und Gegenmaßnahmen treffen konnten.
    »unmöglich!«, sagte Rosas Vater und fragte mit zerknirschtem Gesicht in die Runde: »Wie soll ich die Aufzeichnungen unentdeckt aus meinem Büro bringen?«
    »In der Aktentasche«, schlug Henry Donald nach kurzem Überlegen vor.
    »Zu gefährlich«, entgegnete Dr. Rudolf.
    »Dann eben in der Manteltasche«, sagte Mr Donald.
    »Geht auch nicht«, sagte Rosas Vater. »Die sind gewarnt und kontrollieren, wo sie nur können. Sie wissen, dass ein Spitzel in ihren Reihen ist. Sie werden alles tun, um ihm auf die Schliche zu kommen. Was dann passiert, dürfte euch allen klar sein.«
    Rosas Vater schaute nachdenklich. Die anderen ebenfalls.
    »Wir dürfen nicht leichtsinnig werden und zu viel riskieren«, beschwor Dr. Rudolf. Er spielte dabei nervös mit Zangen und Besteck herum, die auf einer Ablage lagen.
    »Ich könnte dich im Ministerium besuchen«, sagte Rosa.
    »Und dann?«
    »Nehme ich die Informationen mit raus.«
    »Das ist gut! Sehr gut!«, sagte Dr.

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