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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Rudolf. »Bei einem Kind werden sie sicher nicht misstrauisch sein.«
    »Ich bin kein Kind mehr!«, protestierte Rosa.
    Dr. Rudolf lachte zum ersten Mal seit der Zusammenkunft. Ich erschrak. Er hatte auffällig schlechte Zähne. Sie waren ganz gelb und sahen hässlich aus.
    Und das als Zahnarzt? , dachte ich und konnte es mir nicht erklären.
    »Ich weiß«, sagte Dr. Rudolf. »Aber ich dachte, dass wir dich vielleicht viel jünger aussehen lassen könnten.«
    »Das müsste gehen«, meldete Frau Rosengarten sich zu Wort. »Die Haare anders, ein kurzes Kleidchen, und schon siehst du aus wie zehn.«
    Rosa tippte sich an die Stirn. Die anderen grinsten.
    »So einfach geht das nicht!«, gab Rosas Vater zu bedenken. »Womöglich wird sie am Eingang durchsucht. Muss die Taschen ausleeren, die Schuhe ausziehen. Ist alles schon vorgekommen. So wie in den letzten Wochen wurden die Kontrollen noch nie verschärft. Die Nazis sind gewarnt. Irgendwoher wissen sie, dass es in ihren Reihen Leute gibt, die wichtige Informationen an den Feind weiterleiten. Sie wissen nur noch nicht, wer es ist.«
    »Das ist auch gut so«, sagte Mr Donald und wollte sich eine Zigarre anzünden.
    »Rauchverbot«, sagte Dr. Rudolf und fuhr fort: »Wir müssen höllisch aufpassen. Der kleinste Fehler kann uns das Leben kosten. Das ist kein Kinderspiel, das ist blutiger Ernst.«
    Er sah zuerst zu Mr Donald, der seine Zigarre unauffällig in der Manteltasche verschwinden ließ. Dann zu den anderen. Zuletzt zu Rosa.
    »Du weißt, was mit Adelheid passiert ist«, ergänzte Rosas Vater.
    »Ich weiß, Papa. Aber ich bin kein Kind mehr, auch wenn ihr mich in die scheußlichsten Kleider steckt und mir die Haare ganz abschneidet!«
    Die anderen schmunzelten.
    »Außerdem kann ich nicht anders, genau wie ihr. Ich habe mich auch entschieden. Ich muss alles dafür tun, dass dieses menschenverachtende Regime gestürzt wird. Auch auf die Gefahr hin, wie Adelheid festgenommen zu werden.«
    Das klingt ja schon ganz schön erwachsen , dachte ich. Und zu allem entschlossen.
    Die anderen wurden jetzt wieder ernst. Rosas Vater war sichtlich stolz auf seine Tochter, andererseits schien er große Angst um sie zu haben.
    »Wie könnte Rosa die Papiere aus dem Ministerium schmuggeln?«, fragte Dr. Rudolf und sah, wie alle sich die Köpfe zerbrachen.
    »Mit dem Nussknacker!«, rief Rosa plötzlich.
    Alle sahen sie erstaunt an und schienen ernsthaft über ihren Vorschlag nachzudenken, die Stirn gefurcht. Adam Hinkel rieb sich immer wieder über die Bartstoppeln auf seinen Wangen. Dr. Rudolf stand auf und ging unruhig und mit kleinen Schritten in der Zahnarztpraxis umher. Frau Gabriel ließ den Fuß gleichmäßig um das Gelenk kreisen, dass mir beim Zuschauen ganz schlecht davon wurde. Frau Rosengarten knabberte an ihren Fingernägeln. Frau Weniger kaute auf ihren Lippen. Rosas Vater schob sich seine Brille, die ständig auf dem Nasenrücken entlangrutschte, immer wieder hoch. Mr Donald nestelte unentwegt an seiner Krawatte herum.
    Dr. Rudolf blieb plötzlich stehen, sah mich mit großen Augen an und sagte, als würde es ihm genau in diesem Moment einfallen: »Wir höhlen ihn aus!«
    Frau Gabriels Fuß verharrte. Frau Rosengarten ließ die Finger sinken. Herr Hinkel ließ die Bartstoppeln in Ruhe. Auch alle anderen waren plötzlich ganz Ohr.
    »Wir bohren ein geldstückgroßes Loch in seinen Körper«, sagte Dr. Rudolf und kam auf mich zu.
    Sag mal, spinnst du? , dachte ich. Du kannst mich doch nicht einfach …
    »Genau!«, sagte Rosa. »Im Nussknacker vermutet niemand etwas. Erst recht keine geheimen Informationen.«
    Die anderen schienen ebenfalls zu begreifen. Rosas Vater küsste seine Tochter.
    Ich hatte natürlich überhaupt keine Lust, mich von einem Zahnarzt mit schlechten Zähnen anbohren zu lassen. Ich wollte schon auf begehren, da kamen mir Rosas Worte wieder in den Sinn. Man muss Opfer bringen, hatte sie vor ein paar Tagen zu mir gesagt. Man muss für seine Überzeugungen etwas riskieren.
    Na ja, sagte ich mir, wenn es sein muss, meinetwegen. Bohrt ein Loch in mich und versteckt darin so viele Informationen, wie ihr wollt. Wenn dadurch dieser Hitler gestoppt und dieses brutale Regime beendet werden kann, lebe ich eben mit einem Loch im Körper weiter. Was soll’s!
    »Das ist es!«, sagte Rosas Vater, als hätte er genau dasselbe gedacht.
    Rosa küsste mich wieder. Dieses Mal war es mir gar nicht mehr so unangenehm.
    Dr. Rudolf nahm seinen größten Bohrer, mit dem

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