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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Vorschlaghammer. Er hinterließ drei Zentimeter unter Michails linkem Auge eine weitere blutende Platzwunde. Während die Leibwächter ihn wieder auf die Beine stellten, flehte Chiara Charkow an, er solle aufhören. Charkow ignorierte sie. Er kam gerade erst richtig in Fahrt.
    »Elena hat gesagt, Sie seien ein perfekter Gentleman gewesen. Dass Sie sie zwei Mal geliebt haben. Sie wollten sie ein drittes Mal lieben, aber Elena hat Nein gesagt. Sie hat gesagt, sie müsse fort. Sie müsse heim zu ihren Kindern. Erinnern Sie sich jetzt daran, Michail?«
    »Ich erinnere mich, Charkow.«
    »Aber das war alles gelogen, nicht wahr? Sie haben sich diese romantische Begegnung nur ausgedacht, um mich zu täuschen. Sie haben meine Frau nie in dieser Villa geliebt. Sie haben sie über meine Geschäfte aufgeklärt. Und dann haben Sie gemeinsam Elenas Flucht und die Entführung meiner Kinder geplant.«
    »Nein, Charkow.«
    »Nein, was?«
    »Der Lunch stand bereit. Auch der Rosé. Bandol, Elenas Lieblingswein. Wir haben uns zwei Mal geliebt. Im Gegensatz zu Ihnen war ich ein perfekter Gentleman.«
    Charkows Knie kam hoch. Michail ging zu Boden. Diesmal blieb er liegen.
    Nun war Gabriel an der Reihe.
     
    Charkows Männer hatten sich nicht die Mühe gemacht, Gabriel die Armbanduhr abzunehmen. Er trug sie am linken Handgelenk, das an seine Niere gepresst war. Vor seinem inneren Auge sah er jedoch, wie die digitalen Zahlen vorrückten. Das letzte Mal hatte er um 9:11:07 auf die Anzeige geblickt. Ab dem Zusammenstoß hatte die Zeit stillgestanden und erst mit Charkows Ankunft aus Konakowo wieder zu laufen begonnen. Gabriel und Schamron hatten sich aus einem bestimmten Grund für den alten Flugplatz entschieden: um eine räumliche Entfernung zwischen Charkow und der Datscha zu schaffen. Um ein Zeitpolster für den Fall zu haben, dass irgendetwas schiefging. Gabriel schätzte, dass zwischen ihrer Gefangennahme und Charkows Eintreffen mindestens eine Stunde vergangen war. Er wusste, dass Schamron diese Zeit nicht damit vertan hatte, eine Beerdigung zu planen. Michail und er mussten die eigene Sache selbst in die Hand nehmen, um Schamron mehr Zeit zu verschaffen. Absurderweise mussten sie dazu Charkow als Verbündeten gewinnen. Sie mussten dafür sorgen, dass er zornig blieb. Dass er weiterredete. Wenn Charkow verstummte, würden schlimme Dinge passieren. Staaten würden sich selbst zerfleischen, Menschen sterben.
    »Dumm von Ihnen, dass Sie nach Russland zurückgekommen sind, Allon. Ich wusste, dass Sie das tun würden, aber es war trotzdem eine große Dummheit.«
    »Wieso haben Sie sich nicht damit begnügt, mich einfach in Italien ermorden zu lassen?«
    »Weil es bestimmte Dinge gibt, die ein richtiger Mann selbst tut. Und dank Ihnen darf ich nicht nach Italien einreisen. Ich darf nirgends einreisen.«
    »Gefällt Ihnen Russland nicht, Charkow?«
    »Ich liebe Russland.« Ein angespanntes Lächeln. »Vor allem aus der Ferne.«
    »Dann war die Forderung nach der Rückgabe Ihrer Kinder wohl nur eine Lüge – genau wie Ihre Zusage, meine Frau unversehrt freizulassen.«
    »Ich glaube, dass Korowin und Schamron in Paris von ›lebendig und unverletzt‹ gesprochen haben. Und nein, Allon, das war keine Lüge. Ich will meine Kinder wirklich zurückhaben.« Er sah zu Chiara hinüber. »Ich habe mir ausgerechnet, dass die Entführung Ihrer Frau mir wenigstens den Hauch einer Chance verschaffen würde, sie wiederzubekommen.«
    »Sie wussten, dass Elena und die Kinder in Amerika leben?«
    »Sagen wir’s mal so: Ich habe es zumindest stark vermutet.«
    »Warum haben Sie dann keine amerikanische Geisel genommen?«
    »Aus zwei Gründen: Zunächst einmal hätte unser Präsident das nie gestattet, weil es ziemlich sicher zu einem offenen Bruch mit Washington geführt hätte.«
    »Und der zweite Grund?«
    »Es wäre keine kluge Investition von Zeit und Ressourcen gewesen.«
    »Möchten Sie mir das erklären?«
    »Aber gern«, sagte Charkow plötzlich jovial. »Wie alle Welt weiß, verhandeln die Amerikaner grundsätzlich nicht mit Entführern und Terroristen. Aber ihr Israelis geht anders vor. Weil euer Staat so klein ist, ist jedes Menschenleben für euch sehr kostbar. Das bedeutet, dass ihr sofort verhandelt, wenn das Leben Unbeteiligter auf dem Spiel steht. Mein Gott, ihr tauscht sogar Dutzende von verurteilten Mördern gegen die Leichen eurer gefallenen Soldaten aus. Eure Liebe zum Leben macht euch zu einem schwachen Volk, Allon. Das hat sie schon

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