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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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durchgeführter Unternehmen liquidiert: Warschau, Budapest, Athen, Istanbul. Als sie starben, hörten sie nicht zwei, sondern vier Wörter:
    Für Lior und Motti.
    Unterdessen war es fast August geworden. Es wurde Zeit, wieder heimzukehren.

75 T IBERIAS , I SRAEL
    Aber was war mit Iwan Charkow? Nach dem Albtraum in dem Birkenwald außerhalb Moskaus blieb er viele Wochen lang untergetaucht. Es gab Gerüchte, er sei verhaftet worden. Gerüchte, er habe sich ins Ausland abgesetzt. Sogar Gerüchte, der FSB habe ihn fortgeschafft und ermordet. Sie alle waren natürlich falsch. Charkow folgte nur einer weiteren großen russischen Tradition, der Tradition des inneren Exils. Für Charkow bedeutete das allerdings weder Knochenarbeit noch Hungerrationen. Charkows Gulag war seine festungsartige Villa in Schukowka, der östlich von Moskau gelegenen geheimen Stadt der Oligarchen. Und er hatte Jekaterina, um seine Wundschmerzen zu lindern.
    Obwohl Charkow niemals öffentlich mit der Richtstätte in der Wladimirskaja Oblast in Verbindung gebracht wurde, schien ihre Entdeckung seinem Ansehen im Kreml geschadet zu haben. In bestimmten Kreisen wurde mit Interesse registriert, dass Charkows Baufirma bei der Ausschreibung für ein Großprojekt leer ausging. Und dass sein Nachtclub bei den Silowiki und anderen gut vernetzten Moskauern plötzlich außer Mode kam. Und dass sein Autohaus für westliche Luxuskarossen einen starken Umsatzeinbruch hinnehmen musste. Diese Anzeichen täuschten jedoch; sie waren eher für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Russlands symptomatisch als für ein tatsächliches Sinken von Charkows Stern. Darüber hinaus lief sein Waffenverkauf in altem Tempo weiter, denn der Waffenhandel gehörte zu den wenigen trotz der Weltwirtschaftkrise unvermindert florierenden Branchen. Die britischen, amerikanischen und französischen Geheimdienste beobachteten sogar stark vermehrte Landungen von Flugzeugen, die Charkow gehörten, auf einsamen Flugplätzen, die vom Nahen Osten bis Afrika und darüber hinaus reichten. Und der russische Präsident kassierte weiter seinen Anteil. Wie Charkow gern sagte, kassierte der Zar stets seinen Anteil.
    Charkows Überwachung durch die NSA zeigte, dass er von der systematischen Liquidierung von Anton Petrows Agenten wusste – und dass sie ihn keineswegs beunruhigte. Seiner Überzeugung nach hatten sie ihn verraten und verdienten daher das Schicksal, das sie ereilte. Tatsächlich schien er in diesem langen Sommer der Vergeltung nur von zwei Fragen besessen zu sein: Waren seine Kinder an Bord des US-Flugzeugs gewesen, das in Konakowo gelandet war? Und hatten sie die hasserfüllte Mitteilung, die der Pilot ihm übergeben hatte, wirklich selbst geschrieben?
    Die Kinder und ihre Mutter kannten die Antwort natürlich, genau wie der US-Präsident und eine Handvoll seiner engsten Mitarbeiter. Das tat auch die kleine Gruppe von israelischen Geheimdienstoffizieren, die sich am ersten Freitag im August bei Sonnenuntergang nördlich der alten Stadt Tiberias versammelten. Der Anlass war der Sabbat, der Ort war Schamrons honigfarbene Villa über dem See Genezareth. Das gesamte Team war da – auch Sarah Bancroft, die sich dafür entschieden hatte, ihren Augusturlaub mit Michail in Israel zu verbringen. Unter den Gästen waren Ehepaare, die Gabriel nie kennengelernt hatte, und Kinder, die er nur von Fotos kannte. Für Chiara war die Anwesenheit so vieler Kinder schwierig, vor allem als sie ihre Gesichter im Schein der Sabbatkerzen sah. Als Gilah den Segen sprach, ergriff Chiara Gabriels Hand und drückte sie fest. Gabriel küsste sie auf die Wange und glaubte wieder zu hören, was sie in Umbrien zu ihm gesagt hatte: Wir trauern um die Toten und bewahren sie in unseren Herzen. Aber wir leben unser Leben weiter.
    Was Chiaras Aussehen betraf, hatte der am See verbrachte Sommer Wunder bewirkt. Sie war braun gebrannt und in ihrem üppigen dunklen Haar leuchteten goldene und rötliche Strähnen. Bei Tisch lächelte sie häufig und lachte einmal sogar laut auf, als Bella Uzi Vorhaltungen machte, weil er um eine zweite Portion von Gilahs berühmtem Hühnchen mit marokkanischen Gewürzen gebeten hatte. Gabriel, der sie beobachtete, glaubte für einen kurzen Augenblick fast, alles sei nie passiert. Alles sei nur ein Traum gewesen, aus dem sie beide endlich erwacht waren. Das stimmte natürlich nicht, und ein Leben würde nicht ausreichen, um die ihnen von Charkow zugefügten Wunden ganz zu heilen. Chiara glich

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