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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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die nötigen Webseiten, Prospekte und Einladungen gestalten. Eli und Michail, die Russisch sprachen, würden das Verhör durchführen und dabei von Olga beraten werden. Gabriel hatte keine spezielle Aufgabe; er würde das Unternehmen nur überwachen und sich Sorgen machen. Eigentlich nur passend, dachte er, denn diese Rolle hatte auch Schamron schon oft inne gehabt.
    Um Mitternacht, als der Tisch abgeräumt und das Geschirr abgewaschen war, gingen alle nach oben, um ein paar Stunden zu schlafen. Gabriel und Chiara, die die größte Suite für sich allein hatten, liebten sich lautlos. Danach lagen sie im Dunkel nebeneinander: Gabriel starrte die Zimmerdecke an, Chiara ließ eine Fingerspitze über seine Wange gleiten.
    »Wo bist du?«, fragte sie.
    »Moskau.«
    »Was tust du?«
    »Ich beobachte Irina.«
    »Was siehst du?«
    »Weiß noch nicht so genau.«
    Chiara schwieg einen Augenblick. »Du bist nie glücklicher als in ihrer Gesellschaft, Gabriel. Vielleicht hat Uzi recht gehabt. Vielleicht ist der Dienst die einzige Familie, die du hast.«
    »Du bist meine Familie, Chiara.«
    »Bist du dir sicher, dass du sie verlassen willst?«
    »Ganz sicher.«
    »Wie ich höre, hat Schamron andere Pläne.«
    »Die hat er meistens.«
    »Wann willst du ihm sagen, dass du den Job doch nicht annimmst?«
    »Sobald wir Grigorij aus Russland rausgeholt haben.«
    »Du musst mir etwas versprechen, Gabriel. Versprich mir, dass du dich nicht zu nahe an Charkow heranwagst.« Sie küsste ihn. »Charkow zerbricht gern hübsche Dinge.«

24
B ELLAGIO , I TALIEN
    Die Northern Italy Travel Association (NITA) residierte in einer schmalen Gasse des Städtchens Bellagio – das behauptete sie zumindest. Sie hatte den Auftrag, den Tourismus anzukurbeln, indem sie bei ausländischen Reisebüros und -führern aggressiv für die Schönheiten und den Lebensstil Oberitaliens warb. Kurz nach der ersten Zusammenkunft von Gabriels Team in der Villa Teresa am gegenüberliegenden Ufer wurde die Website der Organisation ins Netz gestellt. Dazu gab es einen gut gestalteten Prospekt – nicht in Italien, sondern in Tel Aviv gedruckt – und eine Einladung zum dritten Winterseminar mit Reisemesse im Grandhotel Villa Serbelloni, was merkwürdig war, weil sich niemand im Serbelloni an das erste oder gar an das zweite Winterseminar mit Reisemesse hätte erinnern können.
    Nur drei Tage vor Beginn der Tagung mussten die Organisatoren die bedauerliche Absage eines Teilnehmers hinnehmen und machten sich sofort auf die Suche nach Ersatz. Dabei kamen sie rasch auf Irina Bulganowa von Galaxy Travel, Twerskaja ulitsa, Moskau. Wäre die NITA eine gewöhnliche Vereinigung gewesen, hätte sich vielleicht die Frage gestellt, ob Frau Bulganowa überhaupt so kurzfristig nach Italien kommen könne. Die NITA verfügte jedoch über Möglichkeiten, von denen andere Organisationen nicht einmal träumen konnten. Sie drang in Irina Bulganowas PC ein und inspizierte ihren Terminkalender. Sie las ihre E-Mails und hörte ihre Telefongespräche mit. Die Kollegen in Moskau beschatteten Frau Bulganowa auf Schritt und Tritt und warfen sogar einen Blick in ihren Pass, um sich davon zu überzeugen, dass er nicht abgelaufen war.
    Diese Nachforschungen enthüllten einiges aus ihrem etwas chaotischen Privatleben. So erfuhr man beispielsweise, dass Frau Bulganowa vor Kurzem ihrem Liebhaber aus sehr fadenscheinigen Gründen den Laufpass gegeben hatte. Man erfuhr, dass sie nachts schlecht schlief und ihren CD-Player dem Fernseher vorzog. Man erfuhr, dass sie vor Kurzem in der FSB-Zentrale angerufen hatte, um Auskunft über den Verbleib ihres Exmanns zu verlangen, und kurz abgefertigt worden war. Angesichts dieser Tatsachen rechnete man damit, dass eine Frau in Irina Bulganowas Lage gern die Gelegenheit zu einem kostenlosen Italienbesuch ergreifen würde. Und welcher Moskauer hätte das nicht getan? An dem Tag, an dem die Einladung rausging, kündigte der Wetterbericht für Moskau starke Schneefälle und Temperaturen bis zu minus zwanzig Grad an.
    Die Einladung kam als E-Mail und war von NITA-Geschäftsführerin Veronica Ricci persönlich unterzeichnet. Sie begann mit einer Entschuldigung für den sehr knappen Termin und endete mit verlockenden Angeboten: Flug erster Klasse, Unterbringung im Luxushotel, italienische Gourmetküche. Falls Frau Bulganowa sich zur Teilnahme entschloss – was die NITA sehnlichst hoffte –, würden eine Informationsmappe, die Flugtickets und ein Begrüßungsgeschenk

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