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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Der Star war eingetroffen. Die Show konnte beginnen.
    Sobald die Flugzeugtür geöffnet wurde, war Irina wieder in Bewegung und marschierte mit trotzig vorgerecktem Kinn im Eiltempo zur Passkontrolle. Wie die meisten Russen scheute sie den Umgang mit Uniformierten und legte ihre Papiere wie für eine Auseinandersetzung gerüstet vor. Nachdem sie die Kontrolle ohne Verzögerung passiert hatte, ging sie ins Empfangsgebäude weiter, in dem Chiara ein Schild mit der Aufschrift NITA BEGRÜSST IRINA BULGANOWA, GALAXY TRAVEL hochhielt. Lior und Motti, Chiaras allgegenwärtige Leibwächter, lungerten am Informationsschalter herum, ohne ihre Schutzbefohlene auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    Niemand schien auf Dina zu achten, als diese zum Abholbereich hinausging, wo Gabriel – im schwarzen Anzug eines Chauffeurs und mit aufgesetzter Panorama-Sonnenbrille – an der Schiebetür eines luxuriösen Minibusses wartete. Zwei Autos dahinter saß Jaakov am Steuer eines Lancias und gab vor, den Sportteil des Corriere della Sera zu lesen. Dina stieg vorn bei ihm ein und beobachtete, wie Irina und Chiara in den Minibus stiegen. Gabriel, der Irinas Gepäck währenddessen unauffällig mit einem Scanner nach Peilsendern absuchte, verstaute es daraufhin im Kofferraum.
    Die Fahrt dauerte eineinhalb Stunden. Sie hatten sie in den letzten Tagen mehrfach geprobt und hätten die Route im Schlaf finden können. Vom Flughafen aus ging die Fahrt durch eine Reihe von Dörfern und Kleinstädten nach Como. Wäre ihr Ziel wirklich das Grandhotel Villa Serbelloni gewesen, hätten sie in das auf dem Kopf stehende Ypsilon hinein- und nach Bellagio weiterfahren müssen. Stattdessen folgten sie jedoch dem Westufer nach Tremezzo und hielten an einer privaten Bootsanlegestelle. Dort wartete ein Motorboot mit Lior am Steuer und Motti am Heck. Es trug Chiara und Irina langsam über das flache Wasser der schmalen Bucht zu der großen ockerfarbenen Villa, die am Ende ihrer eigenen Halbinsel stand. In der prunkvollen Eingangshalle erwartete sie ein Mann mit gletscherblauen Augen und einem fein geschnittenen, blutleeren Gesicht. »Willkommen in Italien«, begrüßte er Irina in perfektem Russisch. »Darf ich bitte Ihren Pass sehen?«

25 C OMER S EE , I TALIEN
    Von den darauf folgenden Ereignissen existiert ein Tonbandmitschnitt. Er ist zweiundsiebzig Sekunden lang und liegt bis heute im Archiv am King Saul Boulevard, wo er oft als Musterbeispiel für Befragungen herangezogen, manchmal aber auch wegen seines Unterhaltungswerts abgespielt wird. Gabriel hatte die anderen vor Irinas Temperament gewarnt, aber nichts hätte sie auf die Wildheit ihrer Reaktion vorbereiten können. Eli Lavon, der biblische Archäologe, würde sie später als eine der epischen Schlachten in der Geschichte des jüdischen Volkes bezeichnen.
    Gabriel erlebte sie nicht mit. Er kam in diesem Augenblick mit dem Motorboot über die Bucht und konnte die Ereignisse nur über einen Knopf im Ohr verfolgen. Als er ein Klirren hörte, das eine zersplitternde Vase zu verursachen schien, stürmte er in die Villa und steckte den Kopf ins Speisezimmer. Inzwischen war das Scharmützel beendet und ein vorläufiger Waffenstillstand ausgerufen. Irina, die aufgebracht keuchte, saß an einem rechteckigen Tisch, wo Jaakov und Rimona sie an je einem Arm festhielten. Jossi, der an der Seite stand, hatte ein zerrissenes Hemd und vier lange Kratzspuren auf dem Handrücken. Dina neben ihm hatte eine feuerrote linke Wange, als habe sie eine Ohrfeige bekommen, was tatsächlich der Fall war. Michail saß Irina mit ausdrucksloser Miene direkt gegenüber. Neben ihm starrte Lavon, einem Unschuldsengel gleich, seine kleinen Hände an, als empfinde er dieses ganze traurige Schauspiel als zutiefst peinlich.
    Gabriel verschwand leise in der Bibliothek, in der Olga Suchowa – früher Aufklärungsjournalistin, jetzt anerkanntes Mitglied des Teams – mit aufgesetzten Kopfhörern vor einem Videomonitor saß. Gabriel nahm neben ihr Platz, setzte ebenfalls Kopfhörer auf und sah erwartungsvoll auf den Bildschirm. Gerade blätterte Michail Irinas Reisepass mit bürokratischer Anmaßung durch. Dann legte er ihn wieder auf den Tisch und starrte Irina sekundenlang an, bevor er auf Russisch weitersprach. Gabriel machte ein Ohr frei, um Olgas Simultanübersetzung hören zu können, als jetzt die Befragung weiterging.
    »Sie sind Irina Josifowna Bulganowa, geboren in Moskau am 19. Dezember 1965?«
    »Ja, die bin ich.

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