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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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betrinken, und ihr Geburtstag lieferte einen guten Grund. Um acht Uhr abends waren sie schon stark angeheitert, und so ging es weiter, bis sie gegen zehn auf der Suche nach ihren Autos auf die Twerskaja ulitsa hinauswankten, obwohl keiner von ihnen – auch nicht Irina Josifowna Bulganowa, die Exfrau des Überläufers Grigorij Nikolajewitsch Bulganow – noch fahrtüchtig war.
    Ihr Wagen stand in einer schmalen Seitenstraße, in der die hiesige Miliz, natürlich gegen ein angemessenes Trinkgeld, Moskauern gestattete, den ganzen Tag lang zu parken, ohne einen Strafzettel befürchten zu müssen. Der wachhabende Milizionär war ein pickliger Junge um die zwanzig, der in der Kälte wie erstarrt wirkte. In ihrem angeheiterten Zustand versuchte Irina, ihm eine Handvoll Rubel als üppiges Trinkgeld aufzudrängen. Aber der Junge trat zur Seite und wies das Geld mit großer Geste zurück. Im ersten Moment fand Irina seine Reaktion amüsant. Dann sah sie neben ihrem Auto einen Mann stehen. Sie wusste sofort, woher er kam. Er gehörte zu den Silowiki, der Bruderschaft ehemaliger oder gegenwärtiger Angehöriger der russischen Sicherheitsdienste. Das wusste Irina, weil sie zwölf Jahre lang – die schlimmsten Jahre ihres Lebens – mit einem solchen Mann verheiratet gewesen war.
    Irina überlegte, ob sie einfach weglaufen sollte, aber sie wusste, dass ihr Zustand eine rasche Flucht ausschloss. Und selbst wenn sie nüchtern gewesen wäre, hätte sie sich nicht lange verstecken können, das war ihr klar. Nicht in Russland. Also ging sie weiter und fragte mutiger, als ihr tatsächlich zumute war, was an ihrem Wagen so verdammt interessant sei. Der Mann wünschte ihr einen guten Abend – wobei er sie in russischer Manier mit Vorname und Vatersname ansprach – und entschuldigte sich für die unorthodoxen Umstände ihres Treffens. Er sagte, er habe ihr eine wichtige Nachricht zu überbringen, die ihren Mann betreffe. »Meinen früheren Mann«, antwortete Irina. »Ihren früheren Mann«, korrigierte er sich. Und sie könne ihn übrigens Anatolij nennen.
    »Gehe ich richtig in der Annahme, dass er sich nicht irgendwie ausgewiesen hat?«, fragte Lavon in seinem sanftesten Tonfall.
    »Natürlich nicht.«
    »Würden Sie ihn uns bitte beschreiben?«
    »Groß, sportliche Figur, energisches Kinn, grau meliertes blondes Haar.«
    »Alter?«
    »Über fünfzig.«
    »Bart?«
    »Nein.«
    »Brille?«
    »Nicht auf der Straße. Später eine Lesebrille.«
    Lavon wechselte das Thema. Vorläufig zumindest.
    »Was ist dann passiert?«
    »Er wollte mich zum Abendessen einladen. Ich habe ihm erklärt, ich ließe mich nicht von Fremden zum Essen einladen. Er hat gesagt, er sei kein Fremder, sondern ein Freund Grigorijs aus London. Er wusste, dass ich Geburtstag hatte. Er hat behauptet, er habe ein Geschenk für mich.«
    »Und Sie haben ihm geglaubt, weil Sie Kontakt zu Grigorij in London hatten?«
    »Richtig.«
    »Sie sind also mitgefahren?«
    »Ja.«
    »Mit welchem Wagen?«
    »Mit meinem Auto.«
    »Wer ist gefahren?«
    »Anatolij.«
    »Wohin sind Sie dann gegangen?«
    »Ins Café Puschkin. Kennen Sie das Café Puschkin?«
    Lavon deutete mit kaum wahrnehmbarem Nicken an, er kenne das berühmte Café Puschkin in der Tat. Trotz der Weltfinanzkrise war es noch immer fast unmöglich, dort eine Reservierung zu bekommen. Aber dem Mann, der sich Anatolij nannte, war es irgendwie gelungen, einen der begehrten Zweiertische in einer ruhigen Ecke des ersten Stocks zu ergattern. Er bestellte Champagner, worauf sie gerne verzichtet hätte, und stieß mit ihr an. Dann gab er ihr ein Schmucketui. Es enthielt ein Goldarmband und einen kurzen Brief. Beides komme von Grigorij, behauptete er.
    »Stand auf dem Etui ein Firmenname?«
    »Bulgari. Das Armband muss ein Vermögen gekostet haben.«
    »Und der Brief? Haben Sie Grigorijs Schrift erkannt?«
    »Sie sah jedenfalls wie seine aus.«
    »Was stand darin?«
    »Er hat geschrieben, er wolle nicht, dass wir noch einen Geburtstag getrennt voneinander verbringen. Ich solle mit dem Mann namens Anatolij nach London kommen. Geld spiele keine Rolle. Wiktor werde alles arrangieren und bezahlen.«
    »Kein Nachname?«
    »Nein.«
    »Aber Sie wussten, dass Wiktor Orlow gemeint war?«
    »Ich hatte im Internet von Grigorij und Wiktor gelesen – und sogar ein Foto von den beiden gesehen.«
    »Hat Anatolij sein Verhältnis zu Orlow näher erläutert?«
    »Er hat gesagt, er arbeite auf dem Sicherheitssektor für ihn.«
    »Hat er sich exakt

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