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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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so ausgedrückt?«
    »Ja.«
    »Und der Brief? Ich vermute, dass Sie davon gerührt waren.«
    Irina nickte verlegen. »Alles ist mir echt vorgekommen.«
    Natürlich, dachte Gabriel, während er Irina auf dem Bildschirm beobachtete. Alles hatte echt gewirkt, weil Anatolij genau wie er ein Profi war, der sich glänzend auf Manipulation und Verführung verstand. Und so war Gabriel nicht überrascht, als Irina berichtete, Anatolij und sie hätten den Rest des Abends mit angenehmen Gesprächen verbracht. Sie hatten über alles Mögliche gesprochen und die Themen mit der Gelassenheit alter Freunde gewechselt. Anatolij, der viel über Irinas Ehe zu wissen schien, sprach von Dingen, die er nur von Grigorij erfahren haben konnte – wenigstens glaubte Irina das damals. Beim Dessert erwähnte er wie beiläufig, dass die britische Regierung bereit sei, ihr Asyl zu gewähren, wenn sie nach London komme. Geld, sagte er, sei kein Problem. Wiktor werde ihnen alle Geldsorgen abnehmen. Wiktor werde sich um alles kümmern.
    »Und Sie waren einverstanden?«, fragte Lavon.
    »Ich habe mich zu einem Kurzbesuch bereit erklärt, zu sonst nichts.«
    »Und dann?«
    »Wir haben besprochen, wie die Reise ablaufen könnte. Er hat gesagt, wegen Grigorijs prekärer Situation müssten wir äußerst vorsichtig sein. Sonst liefe ich Gefahr, dass die russischen Behörden mir die Ausreise verweigerten. Er hat mich angewiesen, mit niemandem darüber zu sprechen. Rechtzeitig vor Reiseantritt würde er sich wieder melden. Dann hat er mich nach Hause gefahren. Nach meiner Adresse brauchte er nicht erst zu fragen. Die kannte er bereits.«
    »Haben Sie jemanden ins Vertrauen gezogen?«
    »Keine Menschenseele.«
    »Wann hat er sich wieder bei Ihnen gemeldet?«
    »Am neunten Januar, als ich aus dem Büro gekommen bin. Auf der Twerskaja ulitsa hat sich ein Mann zu mir gesellt und mich aufgefordert, beim Nachhausekommen in meinen Kleiderschrank zu sehen. In dem Schrank habe ich zwei Rollkoffer und eine Umhängetasche gefunden. In den sauber gepackten Trolleys waren Kleidungsstücke, alle in meiner Größe, Schuhe und Toilettenartikel. In der Tasche war der übliche Krimskrams – aber auch ein russischer Reisepass, mein Flugticket nach London und eine Geldbörse mit Bargeld und Kreditkarten. Außerdem schriftliche Verhaltensregeln, die ich verbrennen sollte, wenn ich sie gelesen hatte.«
    »Sie sollten am nächsten Tag abfliegen?«
    »Richtig.«
    »Erzählen Sie mir von dem Pass.«
    »Das Foto war von mir, aber der Name war falsch.«
    »Wie lautete er?«
    »Natalja Primakowa.«
    »Hübsch«, sagte Lavon.
    »Ja«, sagte sie. »Mir hat er sehr gefallen.«

28 C OMER S EE , I TALIEN
    In jener Nacht tat sie kein Auge zu. Sie versuchte es nicht einmal.
    Sie war zu nervös. Zu aufgeregt. Und ja, vielleicht ein wenig zu ängstlich. Sie ging in der kleinen Wohnung, die sie sich einst mit Grigorij geteilt hatte, auf und ab und betrachtete die trivialsten Erinnerungsstücke, als fürchte sie, sie zum letzten Mal zu sehen. Sie verstieß gegen Anatolijs strikte Anweisungen, indem sie ihre Mutter anrief – ein Familienritual vor jeder größeren Reise –, und versteckte ein paar persönliche Souvenirs in Natalja Primakowas Koffern. Ein Bündel vergilbter Briefe. Ein Medaillon mit dem Foto ihrer Großmutter. Ein kleines goldenes Kreuz, das ihre Mutter ihr nach dem Zusammenbruch des Kommunismus geschenkt hatte. Und zuletzt auch ihren Ehering.
    »Sie haben geglaubt, Sie würden Russland für immer verlassen?«
    »Ich habe diese Möglichkeit in Betracht gezogen.«
    »Wissen Sie Ihre Flugnummer noch?«
    »Aeroflot Flug 247, Abflug Moskau Scheremetjewo um 14.35 Uhr, Ankunft London Heathrow um 15.40 Uhr Ortszeit.«
    »Ausgezeichnet.«
    »Das ist schließlich mein Beruf.«
    »Wann sind Sie zu Hause weggefahren?«
    »Um zehn Uhr morgens. Um diese Zeit ist der Moskauer Verkehr – vor allem auf dem Leningradski-Prospekt – schrecklich.«
    »Wie sind Sie zum Flughafen gekommen?«
    »Sie haben einen Wagen geschickt.«
    »Gab es Schwierigkeiten mit Ihrem neuen Pass?«
    »Nicht die geringsten.«
    »Sind Sie Erster Klasse oder Economy geflogen?«
    »Erster Klasse.«
    »Haben Sie an Bord jemanden gekannt?«
    »Keine Menschenseele.«
    »Und bei Ihrer Ankunft in London? Gab es dort Schwierigkeiten mit dem Reisepass?«
    »Keine. Als der Beamte an der Passkontrolle mich nach dem Zweck meines Besuchs gefragt hat, habe ich Urlaub als Antwort genannt. Er hat meinen Pass sofort abgestempelt und

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