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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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vorübergehend bedrücktes Schweigen. Irina zündete sich eine weitere Zigarette an; erschöpft schilderte sie dann in nüchternem Tonfall die weiteren Stationen ihrer Heimreise. Die lange Fahrt zu der Hafenstadt Harwich. Die schlaflose Nacht im Hotel Continental. Die stürmische Überfahrt nach Hoek van Holland an Bord der Autofähre Stena Britannica. Und den Heimflug mit Aeroflot Flug 418, ausgeführt durch die holländische KLM: Abflug Amsterdam Schiphol um 20.40 Uhr, Ankunft Moskau Scheremetjewo um 1.55 Uhr morgens.
    »Sind die Frau und Sie zusammen oder getrennt gereist?«
    »Zusammen.«
    »Hat sie jemals ihren Namen genannt?«
    »Nein, aber ich habe gehört, wie eine Stewardess sie als Miss Gromowa angesprochen hat.«
    »Und nach Ihrer Ankunft in Moskau?«
    »Ein Wagen mit Fahrer hat mich nach Hause gebracht. Am nächsten Morgen bin ich ins Büro gefahren, als sei nichts gewesen.«
    »Hat es noch weitere Kontakte gegeben?«
    »Keine.«
    »Hatten Sie das Gefühl, unter Überwachung zu stehen?«
    »Falls ich überwacht worden bin, habe ich nichts davon gemerkt.«
    »Und als Sie die Einladung zu der Reisemesse in Italien bekommen haben, hat niemand versucht, Sie von dieser Reise abzuhalten?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie nach allem, was Sie durchgemacht haben, nicht kurz gezögert, diese Einladung anzunehmen?«
    »Sie klang sehr echt. Genau wie alles, was Anatolij erzählt hat.« Kurzes Schweigen, dann: »Aber es gibt gar kein Winterseminar, nicht wahr?«
    »Nein, es gibt keines.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Irina wieder.
    »Wir sind wahre Freunde Ihres Mannes. Und wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, damit Sie ihn zurückbekommen.«
    »Wie geht es jetzt weiter?«
    »Genau wie bei Ihrem Englandbesuch. Sie kehren an Ihren Arbeitsplatz bei Galaxy Travel zurück, als sei nichts passiert. Natürlich erst, nachdem Sie am dritten Winterseminar mit Reisemesse der Northern Italy Travel Association teilgenommen haben.«
    »Aber Sie haben eben gesagt, das gebe es gar nicht.«
    »Die Wirklichkeit ist nur ein Bewusstseinszustand, Irina. Die Wirklichkeit kann sein, was immer Sie wollen.«

29 C OMER S EE , I TALIEN
    In den folgenden drei Tagen bereiteten sie Irina sorgfältig auf ihre Rückkehr vor. Sie schilderten ihr die Feinschmeckermenüs, die sie nicht essen würde, die feuchtfröhlichen Cocktailpartys, zu denen sie nicht gehen würde, und die todlangweiligen Seminare, die ihr gnädigerweise erspart bleiben würden. Sie nahmen sie zu einer eiskalten Bootstour auf den See und einer weiten Autofahrt durch die Berge mit. Sie füllten ihre Koffer mit Werbegeschenken und Prospekten von Kollegen. Und sie fürchteten insgeheim die Stunde ihrer Abreise. Unter ihnen gab es keinen, der ihre Authentizität anzweifelte – und niemanden, der sie nach Russland zurückschicken wollte.
    Als der Augenblick ihrer Abreise kam, marschierte sie an Bord des Flugzeugs, wie sie drei Tage zuvor von Bord gegangen war: mit trotzig vorgerecktem Kinn und im Eiltempo. An diesem Abend versammelten sich alle um das abhörsichere Telefon, um auf die Meldung aus Moskau zu warten, Irina sei gesund und sicher angekommen. Zu ihrer großen Erleichterung ging diese Meldung wenige Minuten nach Mitternacht ein. Schmuel Peled war ihr nach Hause gefolgt und berichtete, sie werde nicht überwacht. Am folgenden Morgen bedankte sich Irina von ihrem Schreibtisch bei Galaxy Travel aus mit einer E-Mail bei Veronica Ricci von der NITA für die wundervolle Reise. Signora Ricci bat daraufhin Frau Bulganova, mit ihr auch in Zukunft in Verbindung zu bleiben.
    Gabriel war nicht mehr in Como, um den erfolgreichen Abschluss dieses Teilunternehmens mitzuerleben. Von Olga Suchowa begleitet, war er am Morgen nach der ersten Befragung nach London geflogen, wo sie sofort in eine sichere Wohnung in Victoria gebracht worden waren. Dort wartete schon Graham Seymour, der Gabriel zehn Minuten lang die Leviten las, bevor er ihn endlich zu Wort kommen ließ. Gabriel bestand darauf, dass die Mikrofone ausgeschaltet wurden, bevor er die bemerkenswerte Befragung schilderte, die er am Corner See mitgehört hatte. Seymour rief sofort im Thames House an und stellte eine einzige Frage: War eine Frau mit einem auf den Namen Natalja Primakowa ausgestellten russischen Pass am zehnten Januar nachmittags mit Aeroflot Flug 247 auf dem Flughafen Heathrow angekommen? Das Thames House rief nach wenigen Minuten zurück. Die Antwort lautete: Ja.
    »Ich möchte sofort eine

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