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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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mich geschrieben haben.«
    »Hätte ich’s getan, wäre mein Artikel sorgfältig recherchiert und unwiderlegbar gewesen.«
    »Das behaupten Sie .«
    »Ich weiß viel darüber, wie Sie Ihr Vermögen zusammengerafft haben, Wiktor. Ich habe Ihnen einen Gefallen getan, indem ich diese Informationen nie veröffentlicht habe. Und jetzt werden Sie mir einen Gefallen tun. Sie werden mir helfen, den Mann aufzuspüren, der meinen Freund entführt hat. Wenn Sie das nicht tun, werde ich alles, was in meinen Notizbüchern über Sie steht, zu dem kritischsten Porträt verwerten, das jemals über Sie erschienen ist.«
    »Und dann sehen wir uns vor Gericht wieder.«
    »Glauben Sie wirklich, dass ich ein englisches Gericht fürchte?«
    Sie griff in ihre Handtasche und zog das körnige Foto jenes Mannes heraus, der auf dem Flughafen Heathrow wartete. Orlow setzte seine Lesebrille auf. Sein linkes Auge zuckte nervös. Er drückte auf den Klingelknopf am Beistelltisch und das Hausmädchen erschien.
    »Bringen Sie mir eine Flasche Pétrus. Sofort.«
     
    Natürlich versuchte er, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, aber das ließ Olga nicht zu. Sie erwähnte gelassen ein paar Namen, ein Datum und einige Details einer bestimmten Transaktion, durch die Orlow in den Besitz einer seiner Firmen gelangt war – nicht viel, aber genug, um ihm vor Augen zu führen, dass sie keine leeren Drohungen ausgesprochen hatte. Orlow stürzte sein erstes Glas Pétrus hinunter und schenkte sich sofort nach.
    Olga hatte Orlow noch nie ängstlich erlebt, aber jetzt hatte er sichtlich Angst. Als erfahrene Journalistin erkannte sie Anzeichen dieser Angst in seinem nun folgenden Verhalten: in den ungläubigen Ausrufen, seinen Ablenkungsversuchen und dem Bestreben, die Schuld auf andere abzuwälzen. Orlow neigte dazu, Russland für alle seine Probleme verantwortlich zu machen. Daher war Olga nicht überrascht, als er das auch jetzt tat.
    »Sie müssen berücksichtigen, wie die Verhältnisse in den neunziger Jahren waren. Wir haben versucht, mit den Fingern zu schnipsen und Russland über Nacht in ein normales kapitalistisches Land zu verwandeln. Das war nicht möglich. Das war eine utopische Vorstellung – genau wie zuvor der Kommunismus.«
    »Ich weiß, Wiktor. Ich war selbst dabei.«
    »Dann können Sie sich bestimmt erinnern, wie es für Leute wie mich war, die es geschafft haben, ein bisschen Geld zu verdienen. Jeder wollte daran teilhaben. Unser Leben, auch das unserer Angehörigen, war in ständiger Gefahr. Natürlich wegen der Mafia, aber manchmal war die Konkurrenz ebenso gefährlich. Jeder hat sich eine Privatarmee zugelegt, um sich zu schützen und Krieg gegen die Konkurrenz zu führen. Russland war der Wilde Osten.«
    Orlow hob sein Kelchglas ans Licht. Der schwere, gehaltvolle Rotwein leuchtete wie frisch vergossenes Blut.
    »An Soldaten herrschte kein Mangel. Keiner wollte mehr dem Staat dienen, nicht, wenn es in der Privatwirtschaft richtig Geld zu verdienen gab. Den russischen Sicherheitsdiensten sind die Offiziere in Scharen weggelaufen. Manche haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Dienst zu quittieren. Sie sind einfach nur noch sporadisch zum Dienst erschienen und haben Nebentätigkeiten angenommen.«
    Olga hatte einst selbst einen Artikel über diese Praxis veröffentlicht – eine Story über zwei FSB-Offiziere, die tagsüber gegen die russische Mafia ermittelten und nachts für sie mordeten. Die Betreffenden hatten ihre Story heftig dementiert. Dann hatten sie Olga gedroht, sie umzubringen.
    »Manche dieser Leute waren nicht sonderlich begabt«, fuhr Orlow fort. »Sie waren nur für einfache Aufträge wie Morde auf offener Straße oder dergleichen zu gebrauchen. Aber es gab auch andere, die erstklassig ausgebildete Profis waren.« Er betrachtete wieder das Foto. »Dieser Mann gehört zur zweiten Kategorie.«
    »Sie sind ihm persönlich begegnet?«
    Er zögerte, dann nickte er. »Das war in Moskau, in einem anderen Leben. Aber ich will nicht über den Grund oder die Umstände dieser Begegnung sprechen.«
    »Davon will ich nichts wissen, Wiktor. Mich interessiert nur der Mann auf diesem Foto.«
    Orlow trank noch einen Schluck Wein, dann gab er nach. »Beim KGB hatte er den Decknamen Genosse Schirlow. Er war auf Auftragsmorde, Entführungen und das Aufspüren untergetauchter Männer spezialisiert. Außerdem verstand er sich angeblich sehr gut auf Giftstoffe und Toxine. Diese Fähigkeiten hat er gut genutzt, als er sich

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