Der Oligarch
Zigarette bis zum Filter geraucht. Er nahm einen letzten Zug und sah sich nach einem Platz für die Kippe um. Jaakov nahm sie ihm aus den Fingern und warf sie ins Feuer. Gabriel verweigerte ihm eine zweite Zigarette und setzte das Verhör fort.
»Neulich Nacht hat jemand in Oxford ziemlich unkontrolliert auf eine russische Journalistin geschossen.«
»Sie meinen Olga Schukowa?«
»Richtig. Und ich vermute, dass Petrow nicht daran beteiligt war.«
»Wäre er dort gewesen, hätte sie nicht überlebt. Das war ein eiliger Auftrag. Er hat ein paar seiner Mitarbeiter losgeschickt, um sie erledigen zu lassen.«
»Wo war Petrow?«
»In Italien, um die Entführung Ihrer Frau vorzubereiten.«
Gabriel fühlte, wie ihn nochmals heißer Zorn durchflutete. Er unterdrückte ihn und stellte seine nächste Frage.
»Wie hat er uns gefunden?«
»Nicht durch eigene Bemühungen. Das waren Leute vom SWR. Sie hatten Gerüchte gehört, dass Sie sich in Italien versteckt halten, und haben ihre Informanten in den italienischen Diensten unter Druck gesetzt. Irgendwann hat jemand Sie verraten.«
»Wissen Sie, wer das war?«
»Ich habe keinerlei Ahnung.«
Gabriel drang nicht weiter in ihn. Er spürte, dass der Russe die Wahrheit sagte.
»Welche Informationen haben Sie über mich erhalten?«
»Ihren Namen und die Adresse des Landsitzes, auf dem Sie sich aufhielten.«
»Warum haben Sie so lange gewartet, bis Sie losgeschlagen haben?«
»Anweisung des Klienten. Das Unternehmen gegen Ihre Frau sollte nur anlaufen, wenn Bulganows Entführung glatt über die Bühne gegangen war – und auch dann erst auf Befehl des Klienten.«
»Wann haben Sie diesen Befehl erhalten?«
»Eine Woche nach Bulganows Entführung.«
»Hat Malenski ihn erteilt?«
»Nein, der Klient selbst. Charkow hat mich in meinem Genfer Büro angerufen und mir kurz und knapp mitgeteilt, Petrow solle gegen die zweite Zielperson vorgehen.« Tschernow machte eine Pause. »Ich habe ein Foto von Ihrer Frau gesehen, Allon. Sie ist eine bemerkenswert schöne Frau. Tut mir leid, dass wir sie entführen mussten, aber Geschäft ist …«
Gabriel schlug Tschernow mit voller Kraft mit der Glock ins Gesicht, sodass die Platzwunde über seinem linken Auge wieder zu bluten begann.
»Wo ist Petrow jetzt?«
»Weiß ich nicht.«
Gabriel nickte zum Feuer hinüber. »Denken Sie an unsere Vereinbarung, Wladimir.«
»Sie könnten mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, Allon, und ich wüsste trotzdem nicht, wo er ist. Ich habe keine Ahnung, wo er wohnt, und weiß nicht und wusste noch nie, wo er sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhält.«
»Wie nehmen Sie dann Kontakt zu ihm auf?«
»Gar nicht. Er meldet sich bei mir.«
»Wie?«
»Telefonisch. Aber glauben Sie ja nicht, Sie könnten ihn dadurch aufspüren. Er wechselt seine Handys ständig, benutzt sie nie sehr lange.«
»Wie läuft die Sache mit der Bezahlung ab?«
»Genau wie früher in Moskau. Der Klient zahlt an mich. Ich bezahle Petrow.«
»Waschen Sie das Geld mit Hilfe Ihrer Firma Regency Security?«
»Dafür sind die Kontrollen in Westeuropa zu scharf. Hier bekommt er sein Honorar in bar.«
»Wohin bringen Sie das Geld?«
»Wir haben hier in der Schweiz einige gemeinsame Nummernkonten. Ich hinterlege das Bargeld in Schließfächern, und er holt es ab, wann immer er will.«
»Wann haben Sie zuletzt ein Schließfach gefüllt?«
Tschernow verfiel in Schweigen. Nach einem vielsagenden Blick ins Feuer wiederholte Gabriel seine Frage.
»Vorgestern habe ich in Zürich fünf Millionen Dollar deponiert.«
»Um welche Zeit?«
»Kurz vor Geschäftsschluss. Ich bevorzuge es, wenn ich der einzige Kunde bin.«
»Wie heißt die Bank?«
»Becker & Puhl. «
Diese Privatbank kannte Gabriel. Zufällig wusste er sogar ihre Adresse. Trotzdem fragte er jetzt danach, nur um sich zu vergewissern, dass Tschernow nicht log. Der Russe antwortete wahrheitsgemäß. Die Bank Becker & Puhl residierte in der Talstrasse 26.
»Kontonummer?«
»Neun-sieben-drei-acht-drei-sechs-zwo-vier.«
»Wiederholen!«
Das tat Tschernow. Fehlerlos.
»Kennwort?«
»Balzac.«
»Wie poetisch.«
»Petrow hat es ausgesucht. Er liest gern. Ich selbst habe nie Zeit dafür gehabt.« Der Russe betrachtete die Pistole in Gabriels Hand. »Ich werde sie wohl auch nicht mehr haben.«
In dem Haus über dem Annecysee fiel ein letzter Schuss. Gabriel hörte ihn nicht mehr. Als er abgegeben wurde, saß er neben Uzi Navot in dem Renault Espace, der im
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