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Der Olivenhain

Der Olivenhain

Titel: Der Olivenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Miller Santo
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Bekannter.«
    »Worüber habt ihr denn gesprochen?«, fragte Anna.
    »Über uns, über dich, über alles eben.« Callie wandte den Kopf ab und blickte hinunter zum Hain. Dann zog sie eine weiße Pille aus der Tasche und schluckte sie. »Nicht nur dein hohes Alter ist für ihn so interessant, sondern auch die Tatsache, dass wir eine Generationenfolge von erstgeborenen Töchtern sind. Ich glaube, in Indien werden Töchter eher als Last angesehen.«
    Anna konnte sich nicht verkneifen, eine Redensart zu zitieren, die sie von ihrer Mutter kannte: »Ein Sohn ist ein Sohn, bis er eine Frau findet, eine Tochter bleibt ihr Leben lang eine Tochter.«
    Annas Söhne lebten nicht mehr, vor fünf Jahren war der letzte gestorben. Doch die Ahnenreihe der Töchter war ungebrochen, die Familie bestand aus fünf Generationen erstgeborener Töchter.
    Anna schaukelte sachte und murmelte gebetsmühlenartig: »Anna zeugte Elizabeth, Elizabeth zeugte Calliope, Calliope zeugte Deborah, und Deborah zeugte Erin.«
    »Für unsere Söhne ist hier immer Platz.« Bets war ebenfalls auf die Veranda gekommen. Anna wusste, wie stolz Bets auf ihre eigenen Söhne war, die alle vier aus Kalifornien weggegangen und in die Heimatstädte der Ehefrauen gezogen waren.
    »Callie meinte gerade, dass dort, wo der Doktor anscheinend herkommt, Töchter als Last empfunden werden«, sagte Anna.
    »Alle wünschen sich Söhne. Allerdings hat sich viel verändert, heutzutage müssen sie wegziehen, hinaus in die Welt gehen«, sagte Bets. »Seit mehr als zwei Jahren habe ich meine Jungs nicht mehr gesehen, nicht einmal zu Weihnachten. Obwohl Matthew letztes Jahr versucht hat, mich nach Boston zu locken.«
    »In Indien ist es anders«, erwiderte Callie. »Da muss man für seine Töchter noch extra Geld bezahlen, damit jemand sie heiratet.«
    Anna hatte den Verdacht, dass Callie sich in den Doktor verguckt hatte. Obwohl sie selbst schon seit Jahrzehnten Witwe war, hatte sie nie wieder einen Mann in ihrem Leben gewollt. Aber ihre Enkelin hatte eine Schwäche für Männer und war leicht entflammbar.
    »Wie viel Geld hätte ich wohl bekommen mit meinen fünf kräftigen, gesunden Söhnen! Bestimmt genug, um Kidron für immer den Rücken zu kehren und nach Australien zurückzugehen«, rief Anna.
    »Körperlich waren sie vielleicht kräftig, aber geistig ganz bestimmt nicht«, antwortete Bets, die auch nach dem Tod ihrer Brüder keine Gelegenheit ausließ, um auf ihnen herumzuhacken.
    »Ich find’s romantisch«, sagte Callie.
    Anna sah ihre Enkelin prüfend an. Sie hatte ihr Festtags-Make-up aufgelegt, obwohl es ein ganz normaler Samstag war, und trug die teuren Jeans, die ihr die Verkäuferin in Nordstrom mit den Worten angedreht hatte, sie sehe darin aus wie fünfzig. Anna fand Arbeitshosen albern, egal, wer sie trug. Sorgfältig strich sie ihren Rock glatt und zupfte ein heraushängendes Fädchen vom Saum.
    »Es geht um wissenschaftliche Erkenntnisse und nicht um eine Romanze«, erwiderte Anna, um Callies Erwartungen zu dämpfen. Sie hoffte immer sofort auf die große Liebe, wenn einer der Lieferanten einmal nett am Telefon mit ihr plauderte.
    »Das weiß Callie doch«, sagte Bets. Ihre Tochter ging Streitigkeiten gern aus dem Weg, und deshalb wunderte Anna sich nicht, als Bets rasch das Thema wechselte. »Wann kommt der Doktor denn an?«
    »Noch vor dem Mittagessen«, antwortete Callie und zupfte am Ausschnitt ihrer Bluse, bis sie den Busen züchtig bedeckte.
    »Dann kannst du mir ja bei der Auslese helfen«, schlug Anna vor. »Damit wir frisches Olivenöl zum Essen haben.«
    »Die Pflücker waren dieses Jahr wirklich fleißig. Die Lindseys erzählten, die Männer hätten eine Tonne pro Morgen Land geschafft, bei uns war es mindestens ebenso viel«, sagte Bets.
    Anna sah das anders. »Es sind noch viele Früchte übrig.«
    Bets seufzte und nahm die Herausforderung an. »Du meinst also, sie hätten die Arbeit nicht gründlich erledigt? Benny hat einen neuen Vorarbeiter eingestellt, es ist Diegos Sohn, und der musste seinem Vater auf den Plantagen schon als Kind zur Hand gehen, das weißt du genau.«
    Anna blickte in den Einfülltrichter der kleinen Handpresse, die auf der Veranda stand. Noch ein weiterer Korb Oliven, dann war er voll. »Die Pflücker waren nicht schlechter als sonst. Aber trotzdem nicht so gut wie wir Frauen während der Kriegsjahre, als wir die Ernte allein einbringen mussten.«
    »Daddy hat auch immer gesagt, dass Frauen die besseren Pflücker sind. Wie

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