Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)
Leinwand, die einen ausgestopften Vogel zeigt oder ein einzelnes menschliches Auge.
Drei Kinder kamen herein, zwei Jungen und ein Mädchen, austauschbar blond, mit einer Frau dahinter.
Er konnte nicht verstehen, warum der Detektiv, Arbogast, eindeutig einmal unterhalb des Herzens getroffen, mit Stichwunden im Gesicht die Treppe hinunterpoltert. Vielleicht sollen sich die Zuschauer einen zweiten und dritten und vierten Stoß mit dem Messer vorstellen, aber er war dazu nicht bereit. Hier gab es eine klare Diskrepanz zwischen der Handlung und der sichtbaren Auswirkung.
Er versuchte, die komplexen Zusammenhänge der Filmbearbeitung zu bedenken. Er versuchte, nach den Maßgaben der konventionellen Ausstrahlung zu denken. Soweit er sich erinnern konnte, war ihm das Problem nicht aufgefallen, als er den Film das letzte Mal gesehen hatte, im Fernsehen. Vielleicht ist der Fehler bei vierundzwanzig Bildern pro Sekunde nicht erkennbar. Er hatte irgendwo gelesen, dass das die Geschwindigkeit ist, in der wir die Wirklichkeit wahrnehmen und mit der das Gehirn Bilder verarbeitet. Veränderst du das Format, enthüllst du die Fehler. Diesen Fehler würde man vielleicht entschuldigen, es sei denn, man war ein Mensch mit verengtem Blickwinkel. Falls er das war, dann war er das.
Die Kinder verharrten knapp diesseits der Schwelle, nicht sicher, ob sie genauer erkunden wollten, wo sie da hineingewandert waren, und die Frau schlüpfte an der Seitenwand entlang und hielt inne und sah auf die Leinwand und strebte dann zu der Nahtstelle zwischen beiden Wänden. Er beobachtete, wie die Kinder allmählich ihre Aufmerksamkeit vom Film abzogen und sich umschauten. Wo sind sie, was ist das hier? Eins von ihnen warf einen Blick zur Tür, wo der Aufseher stand und in die taglangen Engstellen seiner Distanziertheit starrte.
Arbogast stürzt immer noch die Treppe runter.
Er dachte wieder an eine bestimmte Situation. Die Kinder brachten ihn darauf, eine Situation, in der der Film von Anfang bis Ende über vierundzwanzig ununterbrochene Stunden gezeigt wird. War das nicht mal irgendwo gemacht worden, anderes Museum, andere Stadt? Er überlegte, welche Rahmenbedingungen er für so eine Aufführung festlegen würde. Ausgewähltes Publikum. Keine Kinder, keine Zufallszuschauer. Zutritt verboten, sobald der Film läuft. Und wenn jemand gehen will, gehen muss? Na schön, Sie dürfen gehen. Gehen Sie, wenn Sie unbedingt müssen. Aber einmal draußen, dürfen Sie nicht wieder rein. Es ist ein persönlicher Test der Durchhaltekraft und Geduld, eine Art Bestrafung.
Aber Bestrafung wofür? Bestrafung fürs Anschauen? Bestrafung dafür, hier Tag um Tag, Stunde um Stunde in unglücklicher Anonymität zu stehen? Er dachte an andere. Das könnten andere so sagen. Aber wer waren diese anderen?
Es war, als schlüpfte die Frau unsichtbar an der Wand entlang, in kleinen, festgelegten Abstufungen. Er konnte sie kaum sehen und war sicher, sie konnte ihn sehen. Gehörte sie zu den Kindern oder nicht? Die Kinder waren drei helle Objekte, Alter vielleicht acht bis zehn, sie bündelten das Licht von der Leinwand, wo grässlicher Tod in Mikrosekunden heruntergekratzt wurde.
Anthony Perkins als Norman Bates. Norman Bates als Mutter, jetzt am Fuß der Treppe zusammengekauert, mit Witwenperücke und bodenlangem Kleid. Er schwebt spinnengleich über dem Detektiv, der rücklings auf dem Dielenteppich ausgestreckt liegt, und nimmt sein Geschäft des Zustechens wieder auf.
Anonym, er und der Museumsaufseher. War der Aufseher von heute derselbe der letzten fünf Tage? War der Aufseher der letzten fünf Tage den ganzen Tag lang derselbe? Irgendwann am Tag mussten sie doch die Aufseher auswechseln, aber ihm war es nicht aufgefallen, oder er hatte es vergessen. Ein Mann und eine Frau traten ein, Eltern der Kinder, der genetische Code knisterte in der Luft. Sie waren massige Menschen in Khakishorts, enorm dreidimensional, mit Einkaufstaschen und Rucksäcken. Er betrachtete den Film, betrachtete andere, betrachtete den Film. Und die ganze Zeit arbeitete der Geist, verarbeitete das Hirn. Er wollte nicht, dass dieser Tag endete.
Dann sagte jemand etwas.
Jemand sagte: »Was sehe ich mir da an?«
Es war die Frau links von ihm, jetzt näher dran, und sie sprach zu ihm. Das verwirrte ihn. Die Frage ließ ihn noch konzentrierter auf die Leinwand starren. Er versuchte aufzunehmen, was sie gesagt hatte. Er versuchte, mit der Tatsache umzugehen, dass da jemand neben ihm stand. Das war
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