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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Schirm zeigte zunächst nur ein Stück graue Wandverkleidung, wie sie für die Passagierkabinen der Passage englouti typisch war. Erst dann wischte Eytarris Kopf ins Bild, er schwitzte und seine Haare waren völlig durcheinander. Hatte wohl auch geschlafen und unruhig geträumt.
    »Hm?«
    »Sitzt du gut? Wir müssen zurück zur Herde, und zwar fix.«
    »Wa-?«, sagte Eytarri und kippte aus dem Bild, weil die Beschleunigung einsetzte. Manchmal nahm das Schiff sie zu sehr beim Wort.
     
    Eytarri rieb sich noch den Hinterkopf, als sie einige tausend Kilometer landeinwärts über grüne Ebenen rasten, die aus ihrer Höhe wie grasbewachsen aussahen. Der ganze Kontinent war mit Wald bedeckt. Der Wald allerdings war in beinahe regelmäßigen Abständen von großen Lichtungen unterbrochen. Diese Lichtungen waren untereinander mit sehr schmalen ›Straßen‹ verbunden, die wie mit Rasiermessern in den undurchdringlichen Urwald geschnitten waren, kaum einen halben Meter breit. Auf diesen Urwaldstraßen wanderten die Begleiter von einer Lichtung zur nächsten, rollend, sich gegenseitig vorwärtsschiebend, knisternd, ekelhaft. Schmale Bäche aus faustgroßen Kugeln, die nach der Vollendung ihres Larvenstadiums aus den Wäldern gekrochen kamen, um mit Abermilliarden ihresgleichen auf Wanderschaft zu gehen, von Lichtung zu Lichtung, bis ein Schiff sie auffraß oder an Bord nahm, um sie zu den Taan zu bringen. Die Begleiter wanderten ein Leben lang. Die ältesten Exemplare, die man gefunden hatte, waren zweihundert Standardjahre alt. Latil hatte von all dem Aufnahmen gesehen, und es hatte sie entsetzlich gelangweilt. Sie fand diese Lebewesen absurd. Sie hasste sie richtiggehend. Aber mit diesem Hass konnte sich Latil jetzt nicht beschäftigen. Zu bizarr war der Anblick, der sich ihr bot. Die Flotte, die über den größten Lichtungen des Waldes Halt gemacht hatte, schwebte wie ein einziges Konglomerat aus Städten in der Luft. Aber über ihr, dort, wo nichts weiter als der weiße Himmel Keiks hätte sein sollen, befand sich eine scheinbar solide schwarze Platte, in ihrer Flächenausdehnung größer als der gesamte Flottenverband, und vor allem dicker. Die schwarze Platte sah aus wie eine quer in der Luft liegende Mauer, bereit, auf die Flotte herunterzufallen und sie in den Grund zu bohren.
    »Was ist das?«, fragte Latil das Schiff.
    »Nichts Gutes«, antwortete es verstimmt.
    Sogar Eytarri zeigte Anzeichen von Stress, als er die schwarze Mauer auf den Bildschirmen sah. Statt sich den Hinterkopf zu reiben und sich murmelnd über das Schiff zu beschweren, das nicht einmal die Höflichkeit besessen hatte, ihn vor dem Start zu warnen, rieb er sich jetzt die Stirn, seine Haut sah teigig aus.
    Plötzlich war die ganze Kommandozentrale voller Musik. Schweres Herzklopfen, begleitet von sehr authentisch nachgeahmten Streich- und Blasinstrumenten, eine paranoide Symphonie zwischen Angst und Größenwahn.
    Latil war eine ganze Zeit lang zu verblüfft, um zu reagieren. Dann fragte sie: »Was soll das?«
    »Na, was soll das wohl?«, antwortete das Schiff erstaunlich schlecht gelaunt. »Ihr trinkt euch einen an, bevor ihr kämpft. Kann ich trinken? Natürlich nicht. Diese Musik soll mir Mut machen, meine liebe Latil.«
    »Mut wozu?«
    Die Antwort des Schiffes blieb aus. Stattdessen stand plötzlich Haku in der Kommandozentrale.
    »Wir sind in Schwierigkeiten, Latil. Als unsere Schiffe hier grasten und ihr am Meer wart, haben sich über der Flotte Fresser versammelt. Zunächst hielten wir das nicht für ein großes Problem, aber als wir das Phänomen ernst zu nehmen begannen, waren es bereits so viele, dass einige der älteren Schiffe Angst bekamen.«
    Das Mondo zeigte auf den Bildschirm.
    »Die schwarze Mauer. Das sind alles Fresser. Milliarden. Und es werden mit jeder Sekunde mehr. Ich habe noch nie ein Schiff von der Größe der Thyrrenoi gesehen, das Angst hatte.«
    Man konnte sich wegen der Lautstärke, mit der sich das Schiff selbst beschallte, kaum unterhalten.
    »Und was können wir, das ihr nicht könnt?«
    »Die Pseira kann an ihrer Außenwand so heiß wie ein Stern sein. Das kann keins von unseren Schiffen.«
    Die schwarze Mauer kam näher. Sie schien nicht ganz so solide zu sein, wie sie eben noch gewirkt hatte, aber wenn sie aus einzelnen, klar voneinander unterscheidbaren Körpern bestand, dann mussten diese Körper sehr dicht zusammengepackt sein, um diesen optischen Eindruck zu erzeugen. Farbige Lichtbündel tasteten die

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