Der Opal
reanimieren konnte. Wir mussten dein Herz wieder mit seinem Adersystem verbinden, es hatte sich beim Anprall losgerissen. Wir testen gerade deinen Kreislauf. Deswegen die aufrechte Position deiner Liege. Entschuldige bitte.«
Bastard, dachte sie und war sich nicht sicher, ob sie das Schiff oder Henan meinte. Sie würde wieder von der Spindel träumen. Gesetzt den Fall, sie überlebte diesen ›Kreislauftest‹. Alles tat weh. Ihr Mund war trocken.
»Sind wir durch?«, fragte sie hustend.
Henan runzelte die Stirn, dann klärte sich sein Gesicht auf. »Ja. Ja, wir sind durch.«
Es klang nicht sehr erfreut. Latil merkte selbst in ihrem zerfetzten Zustand, dass etwas nicht stimmte. Ein leiser Alarm wurde ausgelöst, irgendwo in der Ferne. Mit der nächsten Frage überraschte sich Latil selbst.
»Was ist mit Eytarri?«
Sie wunderte sich, dass sie in der gegenwärtigen Situation überhaupt einen Gedanken an den Stinksack verschwendete.
»Er ist immer noch tot«, sagte Henan. »Mach dir keine Sorgen. Wir müssen dich jetzt absenken. Deine allgemeinen Werte sind gut, aber gerade eben hat eine Blutung in den Kranzgefäßen eingesetzt. Schlaf jetzt. Du machst gute Fortschritte. Bis nachher.«
Bevor die Liege wieder vollständig abgesenkt war und bevor das Anästhetikum wirkte, erhaschte Latil noch einen kurzen Blick auf ihren geöffneten Brustkorb, die sauber durchtrennten Schichten der verschiedenen Häute, das schlagende Herz und die insektenhaften Bewegungen der vielen kleinen Instrumente, mit denen die beiden Chirurgen das Geschehen unter Kontrolle zu halten versuchten. Da der Schmerz nachließ, fühlte sie sich lächelnd einschlafen.
Sie betrachtete ihren nackten Oberkörper. Keine Narben, nicht die geringsten. Auch die ein oder zwei Narben, die sie seit ihrer Kindheit gehabt hatte, waren fort. Und die Tätowierungen waren verschwunden. Vollständig. Wo sie hätten sein sollen, war nur makellose Haut.
»Warum hast du das getan?«, fragte sie.
»Gefällt es dir nicht? Ich habe alles hier. Ich kann dich gerne wieder tätowieren.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage«, gab sie kalt zurück.
»Ich dachte, es würde dich freuen.«
Latil wusste eine Zeit lang nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte sich an die Tätowierungen so sehr gewöhnt, dass sie sich ohne sie beschämend nackt vorkam. Wenigstens spannten sich die blauen Lanzetten ihrer Kennungstätowierung noch über ihre Unterarme.
»Das ist kriminell«, sagte sie. »Du hast ein Beweismittel vernichtet. Der Tätowierer bekommt sein Geld jetzt nie. Und du hast deine Lizenzverträge verletzt. Das opalweite Recht auf deine Wundheilungsprozesse hat die Echo.«
Das Schiff seufzte. »Soweit ich orientiert bin, gibt es diesen dummen Tätowierer gar nicht mehr. Das finde ich nicht bedauerlich, er hatte einen schrecklichen Stil. Ich habe den Unsinn nur für den Fall gespeichert, dass du ihn zurückhaben willst. Und was die Echo angeht, bin ich auf der sicheren Seite. Sie verletzt die Gesetze der Physik, ich verletze ihren Lizenzvertrag. Den Gerichtsstreit würde ich gewinnen, selbst für den Fall, dass sie noch einen führen könnte.«
Latil betrachtete ihren Oberkörper. Eitel drehte sie sich von der einen Seite auf die andere.
»Wir haben jetzt ganz andere Probleme, Latil. Wirklich. Haku wird sie dir in einer Viertelstunde erklären. In der Kommandozentrale.«
»Wir hätten nie auf Keik landen sollen«, sagte Haku. Das Mondo saß auf einem Stuhl vor den Bäumen des Säulenwaldes, Haku war sichtlich um Gelassenheit bemüht.
»Das weiß ich schon«, sagte Latil leichthin. »Dieses Schiff hier ist nicht völlig verblödet. Aber eins weiß ich noch nicht. Warum hast du der Flotte trotzdem befohlen, auf Keik zu landen?«
Ihre Herzgegend tat noch manchmal weh. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt schon wieder aufrecht stehen konnte. Ein Wunder, wie sie sich erinnerte, das die Passage englouti möglich gemacht hatte. Eytarn war immer noch tot. Bei ihm wirkten bis jetzt keine Wunder. Bei den verschlüsselten Programm- und Kontrollsequenzen für den Tunnelprozess auch nicht. Was dieses spezielle Problem anging, so hüllte sich das Schiff in Schweigen. Latil hielt das für ein schlechtes Zeichen.
»Keik ist gar keine Wallfahrtsstation. Noch nie gewesen. Ich wollte dort landen, weil die Schiffe im freien Opal zunehmend schwieriger zu steuern waren. Irgendeine Kraft verwirrte die Kursberechnungen, verfälschte die Signalübertragungen, falsche Gesänge,
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