Der Opal
Unterseite der Mauer ab und wurden von ihr gestreut, gebrochen, reflektiert. Es sah aus, als blitze es zwischen der Flotte und der Mauer hin und her.
»Ja und? Die Passage englouti ist hier das kleinste Schiff. Sie wird nur ein winziges Loch in die Mauer reißen, wenn überhaupt. Können wir diesen Fressern nicht einfach davonfliegen?«
»Das haben wir schon versucht, obwohl wir wussten, dass es nichts nützen würde. Fresser sind über kurze Strecken sehr viel schneller als jedes Schiff, weil sie so leicht sind. Sie bestehen nur aus Verdauungsorganen und Antrieb.«
»Passiert so etwas oft? So ein Überfall?«
»Nicht in dieser Größenordnung. Aber wir haben jetzt keine Zeit. Bitte setzt euch in die Suspensorsessel und aktiviert den Schallschirm.«
»Warum?«
»Weil ihr sonst sterbt«, sagte Haku, und der schrille Ton in seiner Stimme klang sehr überzeugend nach Panik. Eine Sekunde später hatte er sich wieder unter Kontrolle. »Ich bin mit der Thyrrenoi im Zentrum der Flotte. Ihr taucht unter uns durch, stoßt durch die Lücke, die wir euch gerade öffnen, und steigt senkrecht nach oben. Die ganze Flotte wird gemeinsam eine Resonanzfront aufbauen, deren Schockwelle euch auf die Fresser zukatapultiert. Ihr brennt ein kleines Loch in die Mauer, und die Schockwelle reißt sie in Fetzen. Pseira, wie heiß?«
»Fünf Millionen Grad und steigend.«
Latil war endgültig überzeugt, dass alles auf dem Spiel stand, als das Schiff wegen des Namens keinen Protest einlegte.
»Schneller!«, schrie Haku hysterisch. »Sie kommen schon herunter!«
Die Suspensorsessel gingen keine Sekunde zu früh in volle Bereitschaft. Die Passage englouti beschleunigte mörderisch und Latil glaubte, das Kreuz würde ihr gebrochen. Sie war auf ihre Gefühle gespannt, wenn sie als ein Funke, so heiß wie ein Sonnenkern, auf die schwarze Wand zugeschleudert werden würde. Wenigstens war unter dem Schallschirm die Musik nicht so furchtbar laut. Die Suspensorsessel gingen in Reserve und senkten sich plötzlich in den Boden ab. Gleichzeitig blies sich um Latils Kopf herum ein Kissen auf, das mit Gallert gefüllt zu sein schien; jedenfalls fühlte es sich angenehm kühl und weich an. Wahrscheinlich eine der Erfindungen des Schiffs, dachte Latil. Hoffentlich nicht mehr im experimentellen Stadium.
»Jetzt«, sagte Haku.
Um sie herum war alles leicht und frei, sie fühlte sich plötzlich, als schwebe sie. Dann wurde ihr Körper in Stücke gerissen und wie in einem gigantischen Kamin nach oben gesaugt. Erstaunlicherweise verlor sie das Bewusstsein nicht. Erst als die nur noch lose miteinander verbundenen Teile ihres Körpers an die Stahlplatte klatschten, die den Kamin oben, ganz oben abdeckte, gab sie den Geist auf.
Treue
Sie wachte auf und war gefesselt. Sie konnte nicht besonders gut sehen. Was sie sah, überzeugte sie davon, dass sie sich im Lazarett der Passage englouti befand, umgeben von Monitoren, zwei der Chirurgen, die sie schweigend beobachteten, und anscheinend auch zwei Menschen. Ihr Rumpf, von der Gürtellinie aufwärts, war ein rotes Feld aus Schmerzen und das Zentrum dieses Feldes war ein Punkt gleich links neben ihrem Brustbein. Etwa dort, wo sie ihr Herz vermutete. Sie versuchte sich auf die beiden Menschen zu konzentrieren. Sie hätte gerne gewusst, wer noch mit ihr im Raum war. Aha. Der eine sah aus wie Haku. Der andere wie Henan. Latil war enttäuscht. Man schickte ihr Mondos, während sie starb. Die Enttäuschung machte die Schmerzen nur schlimmer. »Haut ab«, sagte sie, und ihr Mund schmeckte nach Blut. Nichts geschah. Die leere Operationsliege in der Mitte des Raums schien ihr überweiß. Manche Dinge in ihrem Sichtfeld waren von einem Strahlenkranz umgeben, andere nicht.
»Wie geht es dir?«, fragte das Henan-Mondo.
»Sterbe ich?«, fragte sie zurück.
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Hakus Mondo mit erstaunlicher Brutalität.
Aber mit so etwas konnte sie umgehen. Das war ihr recht.
»Medizinisch gesehen bist du schon gestorben. Genauer gesagt, dein Herz ist dir herausgerissen worden, als ihr durch die Fressermauer hindurchgeschleudert wurdet. Das Schiff hat alles wieder – «
Das Henan-Mondo hob die Hand, um Haku zu unterbrechen, und erstaunlicherweise gehorchte er. Henans Stimme war voll freundlicher Besorgnis.
»Ich glaube, dass du überlebst. Das Schiff möchte sich bei dir dafür entschuldigen, dass es die G-Kräfte falsch berechnet hat. Du warst etwa zehn Minuten tot, bevor es dich
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