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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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die nach der langen Zeit, die sie in der Erde gelegen hatten, aneinander klebten. »Siehst du, Regina – die Knochen von Männern und Frauen, Jungen und Alten sind schwer zu unterscheiden. Aber man kann immer erkennen, ob es ein Kind ist. Und dieses hier hat zumindest nicht im Feuer gelitten. Siehst du den Krater im Hinterkopf? Den hat ihm vielleicht ein Legionär mit dem Heft seines Schwerts zugefügt.«
    »Im Feuer?«
    »Da unten war ein Gebäude.« Er zeigte hin. »Wir haben die Stümpfe von Pfosten gefunden. Die Menschen sind zusammengetrieben und hineingestopft worden, und dann hat man es in Brand gesteckt.«
    »Wer würde denn so etwas tun?«
    »Was glaubst du wohl?« Er hielt ihr seine Hand voll Münzen hin. Eine davon trug den Namen von Kaiser Nero. »Hat Boudicca ihre Rebellion gegen die römische Herrschaft nicht während Neros Regierungszeit angeführt? Wie es scheint, waren die Vergeltungsmaßnahmen drakonisch.« Er hob den Kinderschädel in die Höhe. »Dieser kleine Krieger muss das mächtige römische Heer wirklich in Angst und Schrecken versetzt haben.«
    »Artorius…«
    »Genug.« Mit dem Schädel in der Hand ging er wieder den Hang hinunter und erteilte Befehle.
    Für den Rest dieses Tages und fast den ganzen nächsten Tag verwendete Artorius einen erheblichen Teil seiner spärlichen Kräfte auf die Aushebung eines neuen Massengrabs und die Umbettung der gebrochenen und verbrannten Knochen. Die Bestattung wurde im Stil der Celtae vorgenommen. Drei Schweine wurden geschlachtet und ihre Kadaver als Nahrung für die Reise in die Anderswelt auf die Gebeine geworfen. Für jeden Schädel wurde ein Becher oder ein Kelch ins Grab gelegt, damit die Toten aus den großen Kesseln in den Bankettsälen der Anderswelt trinken konnten.
    Während das Grab zugeschüttet wurde, fungierte Artorius’ Eisenherstellungsgenie Myrddin als Vorbeter. Er war ein kleiner Mann mit wildem Blick, dickem, grauschwarzem Bart und von runzligen Brandnarben übersäten Armen. Seine Stimme war dünn, sein westlicher Akzent stark: »Zu guter Letzt kommt der Tod und packt mich mit kalten Händen…«
     
    Das restliche Jahr hindurch wurden die Felder um das Dunon herum für die Aussaat des nächsten Frühlings vorbereitet, und sie legten Vorräte für den Winter an, wie zum Beispiel getrocknetes und gesalzenes Fleisch.
    Das Leben war weiterhin schwer. Alle bis auf die ganz kleinen Kinder mussten hart arbeiten. Artorius hatte jedoch darauf bestanden, dass sie sich zuallererst die Zeit für Maßnahmen wie das Ausheben anständiger Latrinen nahmen – und darum blieben sie von der Fieberseuche verschont, die im Spätsommer über das Land hinwegfegte. Und lange vor dem Wechsel der Jahreszeit war allen klar, dass sie genug Nahrung angehäuft hatten, um den Winter zu überstehen, selbst wenn Artorius’ Soldaten einen Teil davon mit Gewalt erbeutet hatten. Regina konnte nicht leugnen, dass Artorius mit enormer Energie an seine Aufgabe heranging, dass er die anderen – auch sie selbst, wie sie zugeben musste – dazu brachte, zu ihm zu stehen und fleißig zu arbeiten, und dass die neue Gemeinschaft bis zum Herbst ein großes Stück vorangekommen war.
    Aber Artorius veränderte sich.
    Er verkündete, dass sie sich von nun an nicht mehr am römischen Kalender, sondern am alten Kalender der Celtae orientieren würden. Dieser war von vier großen Festen gekennzeichnet: Imbolc zum Ende des Winters, wenn die Mutterschafe Milch für ihre Lämmer gaben; Beltane im Frühsommer, wenn das Vieh zwischen reinigenden Feuern aufs offene Weideland getrieben wurde; Lughnasa zu Erntebeginn; und Samhain im frühen Herbst, dem Beginn des neuen Jahres bei den Celtae, eine Zeit, in der das Alte dem Neuen wich und die Welt von den Kräften der Magie überflutet werden konnte. Im kommenden Jahr, das mit diesem Samhain begann, würde Artorius’ neues Königreich Wurzeln schlagen, und Artorius gab bekannt, dass Samhain mit einem großen Fest begangen werden sollte.
    Regina vernahm all dies mit einer gewissen Besorgnis. Aber sie behielt ihre Meinung für sich.
    Sie schwieg auch, als Artorius seine alte, häufig ausgebesserte römische Rüstung ablegte und sich für ein traditionelleres Gewand entschied. Er trug bunte braccae und Umhänge und, als es kälter wurde, einen birrus, den Umhang mit Kapuze, der immer mit Britannien in Zusammenhang gebracht worden war. Um die Wirkung zu vervollständigen, legte er sich auch noch einen hübschen goldenen Halsring zu, den

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