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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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bereit für das Schauspiel, riothamus.«
    Das »Schauspiel« war die Hinrichtung des sächsischen Häuptlings. Es war ein dreifacher Mord, ein Opfer für die alte keltische Verehrung der Zahl Drei.
    Artorius selbst hob seine Axt und schlug dem Sachsen ihre Klinge in den Hinterkopf. Aber der Mann starb nicht daran, und Artorius händigte seine schlaffe Gestalt den Soldaten aus. Als Nächstes wurde ihm ein Strick um den Hals gelegt und mit einem Holzstock zugezogen, bis die Knochen brachen. Und schließlich – und das war das Schmachvollste – wurde sein Gesicht in einen Bottich mit Wasser gedrückt, sodass er ertrank. Regina konnte nicht erkennen, wie lange der Sachse am Leben blieb, denn die Menge der Soldaten um ihn herum grölte und brüllte.
    Artorius grinste Regina an. »Ich frage mich, was deine Caesaren davon gehalten hätten.«

 
21
     
     
    Eine Woche nach ihrer Begegnung mit der Mutter-Großmutter schickte Rosa Lucia zu einem Studientag in eine Bibliothek im Centro-Storico-Gebiet, nicht weit vom Pantheon entfernt. Pina begleitete sie.
    Und drei Uhr waren die beiden mit ihrer Arbeit fertig. Sie beschlossen, einen Spaziergang zum Tiber zu machen und sich vielleicht die Gärten der Villa Borghese anzusehen. Sie gingen auf dem Corso Vittorio Emanuele in Richtung der Gärten. Es war ein heller Dezembernachmittag, und die Sonne schien.
    Das Centro Storico war das mittelalterliche Herz der Stadt und von einer Biegung des Tibers umschlossen. Roms alter Kern waren immer die sieben Hügel gewesen, auf denen die großen Foren und Paläste erbaut worden waren. Doch nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs waren die alten Aquädukte eingestürzt, und die schrumpfende Bevölkerung Roms war auf der Suche nach Trinkwasser zum Fluss gestrebt. Die Ruinen in diesem Gebiet hatten Baustoffe für Häuser, Kirchen und päpstliche Gebäudekomplexe geliefert. Später, als Renaissancefamilien um Macht und Prestige gekämpft hatten, war das Gebiet mit grandiosen Bauwerken voll gestopft worden und zu einem Zentrum der Zünfte voller botteghe – Werkstätten – geworden. In gewissem Ausmaß war das immer noch so, sah Lucia, als sie die Via dei Cestari entlanggingen, in der sich die Läden mit Kleidung und Ausstattung für die katholische Priesterschaft aneinander reihten.
    Im blendenden Licht der tief stehenden Sonne wimmelte es auf den Straßen von Autos, und die Bürgersteige waren voller plappernder Schulkinder, langsam dahinschlendernder Touristen und Büroangestellter, die in ihre Handys brüllten. Die Menge war zielstrebig, lebhaft und permanent laut, und Lucia kam sich fehl am Platz vor.
    »Du bist ja so schweigsam.« Pina ging neben ihr her. Das Täschchen schwang an ihrer Schulter, sie hatte das Handy in der Hand und eine Sonnenbrille auf der Nase.
    »Tut mir Leid. Es ist nur… all diese Menschen. Und die Art, wie sie reden. Alle sind so angespannt – siehst du, wie starr ihre Muskeln sind? –, als wären sie ständig drauf und dran, laut zu schreien. Aber worüber machen sie so ein Geschrei?«
    Pina lachte. »In der Krypta sind wir verwöhnt, weißt du. Wenn wir herauskommen, sind wir so hilflos wie aus ihren Klöstern vertriebene Nonnen.«
    »Ich weiß nicht.« Lucia zeigte auf eine Gruppe von drei Nonnen in schlichter, heller Tracht, die in einem kleinen Straßencafé saßen und lebhaft miteinander plauderten. Sie trugen allesamt Sonnenbrillen und teuer aussehende Turnschuhe, und ihre Handys lagen neben den Cappuccinos vor ihnen auf dem Tisch. Eine trug eine Baseballkappe über ihrem Nonnenschleier. Rom schien stets voller Nonnen zu sein, die den Vatikan besuchen und vielleicht einen Blick auf den Papst, El Papa, erhaschen wollten. »Die scheinen ganz gut zurechtzukommen.«
    Pina hängte sich bei Lucia ein. »Komm. Wenn wir bei der Villa Borghese sind, spendiere ich dir ein Eis.«
    Lucia fühlte sich weiterhin unwohl. Wie immer, wenn sie die Krypta verließ, sehnte sie sich nach deren Ruhe und Ordnung; wohin sie dort auch schaute, immer sah sie ein Gesicht, das ihrem glich. Aber sie wusste, dass es ihr auch in der Krypta, ja sogar in ihrem Schlafsaal schwer fallen würde, Frieden zu finden. Die Geheimnisse, die sie mit sich herumschleppte, überlagerten sich längst – das quälende Rätsel ihrer Menstruation, die Andeutungen über eine künftige Aufgabe, mit denen Rosa sie auf so eigentümliche Weise verfolgte –, Geheimnisse, große, quälende, verwirrende Geheimnisse, an einem Ort, wo man keine Geheimnisse vor

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