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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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das Baby nicht wiedersehen.
    Lucia versuchte, erneut in der Ordensarbeit aufzugehen und zu vergessen, wie man es von ihr erwartete. Aber ihr Zorn wuchs, ebenso wie ein undefinierbarer Schmerz in ihrem Bauch, ein Gefühl des Verlusts.
     
    Rosa arbeitete in einem kleinen Büro im obersten Stock der Krypta. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörte die Betreuung der größeren Firmenkunden des scriniums.
    Lucia blieb vor ihrem Schreibtisch stehen und wartete, bis Rosa aufblickte und Notiz von ihr nahm.
    »Warum darf ich mein Baby nicht sehen?«
    Rosa seufzte. Sie stand auf, kam um den Schreibtisch herum und bedeutete Lucia, zusammen mit ihr auf zwei geraden Stühlen vor einem niedrigen Kaffeetischchen Platz zu nehmen. »Müssen wir das alles noch einmal durchkauen, Lucia? Du sollst den Menschen um dich herum vertrauen. Das ist ein grundlegendes Prinzip unserer Lebensweise. Das weißt du.«
    Vielleicht, dachte Lucia. Aber es war ebenfalls ein grundlegendes Prinzip, dass sie keine solchen Gespräche führen sollten. Man sollte gar nicht über den Orden reden; im Idealfall sollte man sich seiner gar nicht bewusst sein. Rosa hatte ihre eigenen Fehler, wie sie sah. Vielleicht war es unvermeidlich, dass Rosa, die nur eine contadina war, einen größeren Gesichtskreis hatte als die anderen, ob es ihr gefiel oder nicht. Nichts davon sprach sie aus.
    »Ich will meine Kleine sehen«, verlangte sie. »Ich weiß nicht mal, welchen Namen man ihr gegeben hat.«
    »Und?… Ich glaube, wir sprechen hier über deine Bedürfnisse, nicht über die des Babys. Oder, Lucia? Du bist in Krippen und Kindergärten aufgewachsen. Hast du deine Mutter gekannt?«
    »Nein…«
    »Und hat dir das geschadet?«
    »Vielleicht«, sagte Lucia trotzig. »Woher soll ich das wissen?«
    »Bist du wirklich so egoistisch, dass du das Leben deines Kindes ruinieren willst?«
    Rosas ruhige Gelassenheit machte Lucia wütend. »Warum hast du mir nichts davon gesagt, dass meine Schwangerschaft nur dreizehn statt achtunddreißig Wochen dauern würde?«
    »Steht das im Internet, dass eine Schwangerschaft so lange dauern sollte? Lucia, es gibt siebenundzwanzig mamme-nonne, die insgesamt hundert Babys pro Jahr hervorbringen müssen – also jährlich drei oder vier pro Person… Hättest du dir den Kopf nicht mit Unsinn von außen zugemüllt, hättest du mit einer dreizehnwöchigen Schwangerschaft gerechnet, weil das hier bei uns nun mal so ist. Und ob du wusstest, was vorging, oder nicht – du hattest nichts zu befürchten, Lucia. Dein Körper ist dazu gemacht, weißt du.« Rosa beugte sich näher zu ihr und nahm ihre Hand. »Lass sie los, Lucia. Du bist jetzt eine der mamme. In gewissem Sinn bist du schon unser aller Mutter.«
    Lucia versuchte nicht, die Hand wegzuziehen. Wir berühren uns immer, dachte sie mit einem leisen Gefühl des Abscheus, wir sind uns immer so nah, dass wir einander riechen können. »Und das wird mein Leben sein? Morgendliche Übelkeit und Entbindungsstationen bis ans Ende meiner Tage?«
    Rosa lachte. »So schlimm muss es nicht sein. Hier.« Sie ging zu ihrem Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte ein Handy heraus.
    Lucia musterte das Handy. Die Batterie war leer. »Das ist meins. Patrizia hat es mir weggenommen.«
    »Du kannst es wiederhaben. Mach damit, was du willst. Geh ins Internet, wenn du Lust hast. Möchtest du wieder nach draußen? Es spricht nichts dagegen. Ich kann mit Pina reden…«
    »Ich dachte, du traust mir nicht.«
    »Du musst keinen persönlichen Konflikt zwischen uns daraus machen, Lucia. Ich bin nicht deine Klassenordnerin. Ich reagiere nur darauf, wie du dich benimmst, im besten Interesse des Ordens. Das ist alles, was wir hier tun.
    Für Mädchen wie dich ist die Situation jetzt anders, Lucia. Du hast die Bilder in Maria Ludovicas Wohnung gesehen -Szenen wie die Plünderung Roms. Früher hatte ein in der Krypta aufgewachsenes Mädchen realistischerweise keine andere Wahl, als hier zu bleiben. Die chaotische, unkontrollierte Außenwelt war einfach zu gefährlich. Jetzt haben sich die Dinge geändert.« Sie zeigte auf Lucias Handy. »Draußen ist eine helle und oberflächlich attraktive Welt. Die Technologie hat die Menschen auf eine Weise befreit, die man sich noch vor ein paar hundert Jahren nicht hätte vorstellen können. Die Menschen können reisen, wohin sie wollen, sprechen, mit wem sie wollen, und jederzeit jede gewünschte Information abrufen.
    Und all dies dringt sogar in die Krypta vor. Natürlich ist es

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