Der Orden
nur zum Spiel. Die Hoffnung begann zu erlöschen.
»Ich wollte dich nicht verletzen«, sagte er. »Wirklich nicht. Und überhaupt, ich mochte dich, weißt du.«
Sie seufzte. »Ich mache dir keine Vorwürfe. Das Ironische daran ist, dass es für so gut wie jede, die du kennen gelernt hättest, ohne große Bedeutung gewesen wäre.«
»Aber für dich war es von Bedeutung.« Er drehte sich um und sah sie wieder an. Im weichen Kirchenlicht wirkte seine Haut sehr glatt, sehr jung. »Hör zu, ich war und bin ein Arschloch und werde immer eins sein. Tut mir Leid.« Sein Gesicht bewölkte sich. »Jetzt erinnere ich mich. Du hast was von Problemen zu Hause gesagt. Deine Familie? Wenn es was Ernstes ist, kann mein Dad vielleicht helfen…«
»Ich habe ein Baby bekommen«, sagte sie schlicht.
Das verblüffte ihn. Sein Mund öffnete und schloss sich. Dann nickte er. »Okay. Ein Baby. Wann? Wie alt warst du? Vierzehn, dreizehn?«
»Vor zwei Monaten.«
Er lachte, aber die Belustigung wich rasch aus seinem Gesicht. »Das ist doch lächerlich. Oder vielmehr unmöglich.« Er runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. »Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, bist du mir jedenfalls nicht schwanger vorgekommen.«
»Weil ich’s nicht war. Ich war noch Jungfrau«, sagte sie. »Im März bin ich schwanger geworden.«
Er errötete absurderweise und wandte kurz den Blick ab. »Also hast du mit irgendeinem Typen geschlafen«, sagte er leise. »Und bist schwanger geworden. Und dann? Hattest du eine Fehlgeburt?«
»Ich habe ein Baby bekommen«, sagte sie rasch. »Ein lebendiges, voll ausgetragenes Baby, nach dreizehn Wochen. Ist mir egal, ob du das für unmöglich hältst oder nicht. Es war so.«
Er saß einen Moment lang stumm da, mit offenem Mund. Dann schüttelte er den Kopf. »Okay. Angenommen, ich glaube dir, dass du ein Baby bekommen hast, sechs Monate zu früh, als ob… Wer ist der Vater?«
»Er heißt Giuliano. Seinen Nachnamen habe ich vergessen.«
»Du hast seinen Namen vergessen? Hast du ihn gekannt?«
»Nein. Eigentlich nicht.«
Er zögerte. »War’s eine Vergewaltigung?«
»Nein. Es ist kompliziert.«
»Was du nicht sagst.«
»Es ist eine Familienangelegenheit. Es gibt vieles, was du nicht weißt.«
»Klingt so, als gäbe es vieles, was ich gar nicht wissen will… Dieser Kerl, der dich geschwängert hat. War er älter als du?«
»O ja. Ungefähr dreißig, glaube ich.«
»Ist das hier legal?… Oh. Es war doch niemand aus der Familie, oder?«
»Nein. Na ja, ein entfernter Verwandter.«
»Das wird ja immer undurchsichtiger. Haben deine Eltern was damit zu tun? Haben sie dich verkauft?«
Sie schüttelte den Kopf. »So war das nicht. Ich kann es nicht erklären. Und du würdest mir wahrscheinlich sowieso nicht glauben.«
Er sah sie verärgert an.
Sie musterte ihn und versuchte nachzuvollziehen, was in ihm vorging. Er hatte keine Angst mehr – oder jedenfalls war das nicht sein einziges Gefühl. Er hörte wirklich zu, versuchte wirklich zu verstehen, und seine Miene wirkte irgendwie entschlossen.
Er konstruierte sich ein neues Modell ihrer Beziehung, dachte sie. Zuerst hatte er geglaubt, er wäre so etwas wie ein romantischer Held, der Reisende in Rom. Als er dann herausgefunden hatte, dass sie zu jung für eine Beziehung war, hatte er beschlossen, sich auf einen spielerischen, etwas nervösen Flirt mit einem frühreifen Kind einzulassen. Dass sie ein Baby zur Welt gebracht hatte, und zwar auf eine für ihn unbegreifliche Art und Weise, hatte sein Modell auseinander brechen lassen. Doch nun versuchte er, ein neues Bild zu zeichnen. Jetzt war er der Ritter, der hoch zu Ross zu ihrer Rettung herbeieilen und all ihre Probleme mit einem einzigen Schwerthieb lösen konnte – oder jedenfalls mit einem einzigen Anruf.
Er war wirklich noch ein Kind mit einem vereinfachten, kindlichen Weltbild, dachte Lucia fast zärtlich. Seine Vorstellung von dem, was hier vorging, hatte sehr wenig mit der Wahrheit zu tun. Aber Kind hin oder her, sie hatte nur ihn. Und wenn sie ihn benutzen musste, um selber am Leben zu bleiben, dachte sie kalt, dann würde sie es tun.
Lucia zwang sich zu einem Lächeln. »Du bist Amerikaner«, sagte sie. »Ihr habt Wüsten erblühen lassen. Ihr habt Menschen auf den Mond geschickt. Du kannst mir bestimmt helfen.«
Aber er blickte an ihr vorbei.
Pina stand schweigend am Ende der Bank.
Daniel stand auf und trat ihr entgegen. »Ach, du bist es. Die hässliche Schwester.«
»Wir
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