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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein Straßenkostüm; sie sah kraftvoll und tüchtig aus, als könnte nichts und niemand sie aufhalten. In ein paar Sekunden würde sie bei ihnen sein.
    »Versteck mich«, sagte Lucia zu Daniel.
    »Wie bitte?«
    Sie stand auf. »Versteck mich jetzt sofort oder geh.«
    Rosa begann zu laufen. Pina griff nach Lucia, um sie festzuhalten.
    Lucia sagte: »Pina, bitte…«
    Pina zögerte eine Sekunde. Dann ließ sie die Hände sinken, einen Ausdruck äußerster Bestürzung im Gesicht.
    Daniel nutzte diese Sekunde, um Lucia an der Hand zu packen. Sie liefen zusammen aus dem Kirchenschiff und zum Ausgang. Daniel zerrte sie in ein Knäuel von Besuchern, deren Anführerin einen Regenschirm in die Höhe reckte. Sie bahnten sich ihren Weg durch die dicht gedrängte Gruppe zur Tür.
    Als sie draußen im Freien standen, waren Rosa und Pina nirgends zu sehen.
    Sie starrten einander an, lachten kurz und hysterisch, dann verstummten sie. Lucia strich ihm über die Wange; sie war heiß. »Also, Daniel – was nun?«

 
36
     
     
    Brica kam zu ihr.
    Sie stand über ihrer Mutter, mürrisch, ausgelaugt, mit schlaffen Zügen. Von dem fröhlichen, hübschen Mädchen, das mit den Kindern im Wald gesessen und ihnen Geschichten über die Sidhe erzählt hatte, war kaum noch etwas übrig, und Reginas Herz brach ein wenig mehr.
    Aber sie fragte mit heiserer Stimme: »Hast du mir schon verziehen, dass ich dir das Leben gerettet habe?«
    »Wenn du stirbst, bin ich frei«, sagte Brica. »Aber es ist zu spät für mich. Du hättest mich gehen lassen sollen, Mutter.« Dieses Gespräch hatten sie seit ihrer Zeit in Londinium und dem Vorfall mit dem fetten negotiator schon viele Male geführt.
    »Dein Problem war, dass du dich immer wieder verliebt hast. Aber in diesen Zeiten ist kein Platz für Liebe.«
    »Ich konnte nichts dafür.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht. Ebenso wenig wie ich etwas dafür kann, dass ich dich liebe.«
    Irgendwann ging Brica fort. Es würde keinen Abschied, kein letztes Verzeihen geben, aber Regina wusste, dass es keine Rolle spielte.
     
    Manchmal fragte sich Regina, ob sie wirklich verrückt war, wie Brica ihr zuweilen vorgeworfen hatte, ob sie eine anomale Mutter war. Ja, Brica war ihr Kind. Ja, in normalen Zeiten musste eine Mutter ihre Kinder beschützen. Ja, sie sollte ihnen erlauben, ihr eigenes Leben zu leben, wenn sie volljährig waren.
    Aber Regina hatte nicht in normalen Zeiten gelebt.
    Bei Reginas Geburt war die römische Zivilisation noch intakt gewesen. Sie hatte wie seit fünfhundert Jahren den Mittelmeerraum und einen großen Teil Europas beherrscht. Britannien, wiewohl rebellisch und unruhig, war immer noch ins imperiale System eingebettet, seine Wirtschaft, seine Gesellschaft, seine Bestrebungen und seine Zukunftsvision von der römischen Kultur und den römischen Werten bestimmt gewesen. Jetzt, wo das Licht für Regina allmählich erlosch, war das Imperium im Westen verschwunden, und sein Besitz befand sich in den Händen von Barbaren.
    In ihrem von Chaos und Zerstörung geprägten Leben, in dem die Sachsen wie ein Buschfeuer über Britannien hinweggerast waren, in dem sogar Rom selbst erbebt und zerbröckelt war, hatte Regina ihre Familie als etwas zu betrachten gelernt, was man nicht in die Freiheit zu entlassen, sondern zu bewahren hatte: eine Bürde, die gerettet werden musste. Selbst wenn es bedeutete, ein Loch in die Erde zu graben. Es war, als hätte sie Brica gar nicht erst zur Welt kommen lassen, sondern sie in ihrem Mutterleib behalten, ein dunkles Ding, blutig, voller Groll – aber in Sicherheit.
     
    In den letzten Tagen waren die Frauen abgelenkt. Sie unterhielten sich aufgeregt über ein neues Licht am Himmel, wie ein brennendes Boot, das den großen Sternenstrom befuhr, und über die Bedeutung eines solch erstaunlichen Omens.
    Regina hatte jedoch keine Angst. Vielleicht war es das Feuerschiff, das ihre Kindheit erhellt hatte und nun, wo sie immer kälter wurde, zurückgekehrt war, um sie zu wärmen.
    Und dann endeten die Gespräche. In den Korridoren ihres Geistes schienen die Lichter eines nach dem anderen zu verlöschen.
    Doch dann glaubte sie, eine Stimme zu hören, die sie rief.
    Sie lief durch Korridore. Sie war leicht und klein, und sie lachte, befreit von dem Ding in ihrem Bauch. Sie lief, bis sie ihre Mutter fand, die in ihrem Zimmer saß und sich einen silbernen Spiegel vors Gesicht hielt, während Cartumandua ihr die goldenen Haare flocht. Als sie Regina kommen hörte, drehte Julia

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