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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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beginnen. Vierundzwanzig Stunden, um mich zu erholen.
    Wie ein ganz normaler Tourist hatte ich mir ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe des Forums genommen. Der Empfangschef war ein dünner, gepflegter Mann in einem schwarzen Anzug. Er sprach ein gebrochenes, aber brauchbares Englisch: Tatsächlich war er seit meiner Landung der erste Italiener, der mir begegnete, der überhaupt mehr als ein paar Worte Englisch sprach.
    Mein Zimmer war klein und ging auf eine Seitengasse hinaus. Aber man konnte vom Fenster aus das Forum Romanum sehen, wie es der Hotelprospekt versprach, obwohl man zunächst in Ziegelmauergassen schaute, die dann den Blick auf die umgestürzten Säulen und herumschlendernden Touristen freigaben. Diese Ziegelbauten, so fand ich später heraus, gehörten wiederum zu den Ruinen der so genannten Trajans-Märkte, einer Art riesigem Einkaufszentrum der Antike. Jedenfalls war der Zimmerpreis dank des eingeschränkten Blicks niedrig.
    Ich packte meine Sachen aus und suchte erfolglos nach einem Tee-Ei. Der einzige englischsprachige Fernsehkanal war CNN. Aber es gab einen Internetanschluss im Zimmer, zu dem man über den Fernseher Zugang hatte; der uralten, vergilbten Notiz auf dem TV-Schrank zufolge musste man dazu für ein paar Euro oder ein paar tausend Lire eine tragbare Tastatur mieten.
    Ich fand diverse E-Mails von Peter vor, abgeschickt irgendwo in Amerika, wo er mit seinen Slan(t)ern zusammenhockte. Ich blätterte die meisten durch und legte sie in meiner mentalen Kategorie »Peters abstruses Zeug« ab – wobei mir hin und wieder fast das Herz stehen blieb, wenn die ohnehin schon langsame Verbindung endgültig einzufrieren drohte. Einige Sachen waren aber durchaus interessant.
    Eine der wichtigsten Aktivitäten der Slan(t)er bestand darin, die Medien der Welt nach »Anomalien« abzusuchen – irgendwelchen eigentümlichen Mustern und unerklärlichen Ereignissen, die anzeigen mochten, wie unser Weltbild an den Rändern ausfranste. Meines Wissens ist das ein Hobby, das die UFOlogen seit den Fünfzigerjahren betreiben. Mit dem Aufstieg des Internets hat es sich in eine Industrie verwandelt: Die Slan(t)er hätten leistungsfähigere Such- und Mustererkennungs-Software als die meisten Suchmaschinen, prahlte Peter; sie könnten den ungeheuren Brei von Informationen, Gerüchten, Hoaxes und schlichtem Müll durchsuchen, der sich Tag für Tag über unsere Informationsautobahnen ergieße.
    Und während seines Aufenthalts in den Staaten, schrieb Peter, habe diese unaufhörliche Suche etwas über seine geheimnisvolle dunkle Materie zutage gefördert:
     
»Wenn ein Stück dunkler Materie die Erde durchdränge, sähen wir es nicht. Es würde einfach durch die Materie des Planeten wandern. Aber seine Schwerkraft würde seismische Ereignisse auslösen: Schockwellen in der Erdstruktur, die von seiner Bahn ausgehen. Und erfreulicherweise überwachen wir die seismischen Aktivitäten ziemlich umfassend…«
     
    Es gibt ein globales Netz von rund fünftausend staatlich finanzierten seismischen Beobachtungszentren. Sie lauschen auf die Lieder der Erde, die gewaltigen niederfrequenten Wellen, die durch die Erdkruste wandern. Das besondere Augenmerk der staatlichen Überwacher liegt dabei auf Wellen, die von einer einzelnen, punktförmigen Quelle ausgehen, also beispielsweise einem Erdbebenherd oder einem illegalen unterirdischen Atombombentest. Derartige »saubere« Signale werden aus den Daten extrahiert und veröffentlicht. Der Rest der Daten wird als bedeutungsloses Rauschen abgeschrieben.
     
»Was für einen großen Teil davon wohl auch zutrifft«,
     
    schrieb Peter.
     
»Man bekommt schon eine seismische Signatur, wenn ein Schwerlaster an der Station vorbeifährt.«
     
    Heutzutage wurden jedoch alle diese Daten vom US Geological Survey und dem Australian Seismological Network ins Internet gestellt, wodurch die Slan(t)er sie in die Finger bekommen hatten. Und in diesem missachteten »Rauschen« hatten sie »lineare Signale« gefunden, wie Peter es formulierte – Signale, die nicht von einem Punkt, sondern von einer geraden Linie ausgingen.
     
»Man bekommt eine Spur, die sich durch die Erdschichten zieht«,
     
    schrieb Peter,
     
»als hätte man eine Kugel durch eine Hochzeitstorte geschossen.«
     
    Schon seit Jahren waren hin und wieder lineare Signale beobachtet worden. Die Slan(t)er jedoch hatten auf ihrer Suche nach Mustern, die von den Seismologen ignoriert wurden, im letzten Jahr drei solche Ereignisse

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