Der Orden
Pantheons zu berauben.
Ein paar verstreute Buhrufe ertönten, als der Kaiser vorbeikam.
»Ich heiße Felix«, sagte der Fremde zu Totila. »Und du siehst aus, als wüsstest du nicht, wohin.«
»Nun ja…«
Als die Menge sich auflöste, fasste Felix Totila am Arm. Dieser ließ sich von ihm wegführen, weil ihm nichts Besseres einfiel; er musste mit jemandem reden.
Felix war um die vierzig und schlicht gekleidet, wirkte jedoch wohlgenährt, ruhig und beherrscht. Er sprach ein einfaches Latein mit starkem Akzent, war aber leicht zu verstehen. Totila fiel es schwer, sich seiner resoluten Art zu widersetzen, und er ließ sich von Felix zu einem Becher Wein und etwas Brot einladen.
Felix musterte Totilas Kragen. »Du bist zu einem heiligen Zweck hier«, sagte er feierlich.
»Ja. Ich…«
Felix hob die Hand. »Ich bin kein Bischof, und deine Sünden interessieren mich nicht. Ich bin dein Freund, Totila, ein Freund aller Pilger. Ich möchte dir helfen, hier in Rom zu finden, was du suchst, denn es ist eine große und verwirrende Stadt – und voller Gauner, wenn man sich nicht auskennt!«
»Das glaube ich gern.«
Felix brachte von irgendwoher eine Schriftrolle zum Vorschein. »Dies ist ein Führer zu den heiligsten Stätten. Er zeigt dir, welche Wege du nehmen und was du dir ansehen musst…« Die Schriftrolle sah aus, als wäre ihre Herstellung teuer gewesen, und als Felix ihm den Preis nannte, zögerte Totila; sein Geldbeutel wäre auf einen Schlag leer gewesen.
Felix’ Augen wurden schmal. »Also schön. Dann werde ich dein Führer sein, Pilger!«
Und so führte Felix Totila für den Rest dieses Tages durch Rom.
Wohin sie auch kamen, überall waren beruhigende Scharen von Pilgern. Totila sah sich die Pfeile an, die den Leib des heiligen Sebastian durchbohrt hatten, die Ketten, die Petrus gebunden hatten, und den Rost, auf dem der heilige Laurentius verbrannt worden war.
Einige Jahrzehnte zuvor hatte man auf Initiative von Papst Gregor Pilger aus ganz Europa dazu aufgerufen, nach Rom zu kommen, der Mutter der Kirche; und sie waren gekommen. Die Stadt hatte sich rasch auf den neuen Geschäftszweig eingestellt, der dringend benötigte Einkünfte brachte.
Totila schüttelte den Kopf, als Felix ihn zu einem Stand führte, wo er »Märtyrerknochen« hätte kaufen können, eine grässliche Sammlung von Fingergelenken und Zehenknochen. Er warf jedoch ein paar Münzen in die Schalen halb verhungerter Bettler und brachte in verschiedenen Schreinen Opfergaben dar. Ihm fiel auf, dass einige der schlimmsten Elendsgestalten unter den Bettlern von Frauen betreut wurden – alle jung, mit hellgrauen Augen und in unverwechselbare weiße Gewänder gekleidet –, die ihnen zu essen gaben und ihre Wunden reinigten.
Felix beobachtete das alles und behielt Totilas Geldbeutel im Auge.
Als der Abend hereinbrach, führte Felix Totila schließlich ins griechische Viertel der Stadt und versprach ihm, dass er dort eine billige Unterkunft finden würde.
Und in einer dunklen Gasse, zwischen zwei unglaublich hohen Wohnhäusern mit bröckelnden Mauern, zog Felix ein scharfes Messer, schlitzte damit Totilas Geldbeutel auf und stach Totila obendrein auch noch in den Bauch.
Während Totila auf den mit Unrat übersäten Boden sank, zählte Felix die Münzen in seiner Hand und schnaubte. »Kaum der Mühe wert.«
»Tut mir Leid«, keuchte Totila.
Felix schaute überrascht zu ihm herunter und lachte. »Sei nicht albern. Es ist ja nicht deine Schuld.« Und er ging davon, in die zunehmende Dunkelheit hinein.
Totila lag im Gestank von Kot und Urin, außerstande, sich zu bewegen. Er presste sich die Hände auf den Bauch, spürte aber, wie ihm das Blut durch die Finger rann.
Jemand war da und stand vor ihm. Es war eine Frau in einem weißen Gewand mit einem purpurroten Streifen. Sie gehörte zu denen, die sich um die Armen kümmerten. Sie kniete sich in den Schmutz, zog seine Hände weg und untersuchte die Wunde. »Nicht bewegen«, sagte sie.
»Dies ist ein heiliger Ort zum Sterben, hier in Rom.«
»Es gibt keinen guten Ort zum Sterben«, sagte sie leise. »Nicht so.« Sie hatte hellgraue Augen, sah er, grau wie Wolken.
Nachdem sie ihn verbunden hatte, gelang es ihr, ihm auf die Beine zu helfen, und sie brachte ihn zu einer Herberge. Sie gab ihm einen neuen Lederbeutel mit etwas Geld darin.
Er blieb zwei Nächte.
Als er wieder laufen konnte, trat er mit einiger Beklommenheit auf den Wirt zu, denn er wusste nicht, ob er genug
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