Der Orden
Geld für die Übernachtungen hatte. Aber er stellte fest, dass die Rechnung bereits beglichen war.
Bevor Totila Rom verließ, versuchte er die Frau zu finden, die ihm geholfen hatte. Doch obwohl jedermann die Frauen in Weiß und ihre wohltätige Arbeit für die hilflosen Armen und die Opfer von Unfällen und Verbrechen kannte – manche nannten sie Engel, andere Jungfrauen –, wusste niemand, wo sie zu finden waren. Sie schienen bei Tag den Trümmern Roms zu entwachsen und nachts zu verschwinden, wie Geister einer anderen Vergangenheit.
39
An dem Tag, an dem ich mit Rosa verabredet war, wachte ich früh auf. Ich hatte eine unruhige, weitgehend schlaflose Nacht hinter mir.
Vor dem Frühstück schlich ich mich nach unten, stahl mich an dem Rezeptionisten vorbei und ging die Via dei Fori Imperiali entlang. Die Morgendämmerung war gerade erst angebrochen, und es herrschte wenig Verkehr. Mich umgab das alte römische Forum, das in der zeitlosen Sicherheit seines Tales nistete, und auf dem Palatin und dem Kapitol prangten die Kaiserpaläste und andere mächtige Bauwerke der Spätantike.
In der Woche seit meiner Ankunft war ich unermüdlich in Rom umhergelaufen, vom Vatikan im Westen zur Via Appia im Süden, an den Ufern des Tibers entlang und weite Strecken um die aurelianische Mauer herum. Wie Edinburgh oder San Francisco war auch Rom eine Hügelstadt – das war das Erste, was einem auffiel; man konnte wirklich nicht weit laufen, ohne entweder bergauf oder bergab zu gehen –, und schon nach ein paar Tagen hatten sich meine Schenkel und Waden so hart angefühlt wie die eines Fußballspielers.
Was Rom jedoch von jeder anderen Stadt unterschied, die, ich bisher besucht hatte, war die Aura des Alters.
Dieser Ort war seit der Eisenzeit ununterbrochen besiedelt gewesen. Es war, als hätte man der Zeit hier die Zügel schießen lassen, als ragten gewaltige Geschichtsriffe in die Neuzeit hinein, Berge der Vergangenheit, so beständig wie die uralten Hügel selbst.
Peter hatte Recht gehabt mit seinen Warnungen: Rom begann mich einzuschüchtern. Das war kaum die richtige seelische Verfassung für die Begegnung mit meiner Zwillingsschwester.
Ich hatte mich mit Rosa in einem kleinen Café in der Nähe der Via Appia verabredet, wo sie arbeitete, wie sie mir in unserem kurzen, knappen Telefongespräch erklärt hatte. Die Via Appia ist eine alte Straße, die von einem Tor in der aurelianischen Mauer aus nach Süden führt. Es war ein schöner Morgen, und ich beschloss, zu Fuß zu gehen, um einen klaren Kopf zu bekommen und meinen Kreislauf in Schwung zu bringen.
Ich bereute die Entscheidung jedoch bald. Die Straße war schmal, auf weiten Strecken ohne Gehweg, und der Verkehr war hier genauso respektlos wie überall in der Stadt. Aber vielleicht war es schon seit zweitausend Jahren so, dachte ich; ich sollte mich nicht beklagen.
Ich überlebte einen schrecklichen Dauerlauf durch einen engen Tunnel unter einer Straßen- und Eisenbahnbrücke hindurch und gelangte zu einer Kreuzung in der Nähe einer kleinen Kirche namens Domine Quo Vadis. Auf der anderen Straßenseite war ein Café.
Und dort, an einem Tisch auf dem Bürgersteig, saß eine elegante Frau in den Vierzigern. Sie trug einen cremefarbenen Hosenanzug und saß lässig da, die Beine übereinander geschlagen, eine Tasse Kaffee auf dem Tisch, ein Handy in der Hand. Als ich die Straße überquerte, schaltete sie das Telefon aus. Sie ließ es jedoch auf dem Tisch liegen, wo es während unseres ganzen Treffens liegen blieb, eine stumme Erinnerung an ihre Verbindungen zu einer anderen Welt.
Als ich an den Tisch trat, lächelte sie – strahlend weiße Zähne – und stand auf. Sie hatte eine teuer aussehende Sonnenbrille auf ihr zurückgekämmtes, mausblondes Haar geschoben – keine einzige graue Strähne –, und ihre Augen waren so hell und rauchig wie die meiner Mutter. »George, George…« Wie sich herausstellte, war ich ein bisschen größer als sie, und ich musste mich hinunterbeugen, damit sie mich küssen konnte. Sie streifte meine Wangen, als wären wir zwei Londoner PR-Profis bei einem routinemäßigen geschäftlichen Meeting.
Aber als ich so nah bei ihr stand, bewirkte etwas an ihrem Geruch – etwas Süßes, Milchiges unter den Kosmetika, vielleicht ein Geruch, den ich mit meinem Zuhause verband –, dass ich für einen Moment am liebsten zerschmolzen wäre. Ja, auf einmal erinnerte ich mich an sie, ein kleines Mädchen in bunten,
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