Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
den gierigen Händen der Männer nicht entrinnen. Sie wurden aus der Grube gezerrt, ausgezogen und an Ort und Stelle genommen, auf der alten Kaiserstraße. Als die Männer feststellten, dass die Frauen allesamt Jungfrauen waren, kämpften sie miteinander, um sie als Erste nehmen zu können. Aber am Ende wurden alle Frauen wieder und wieder vergewaltigt.
    Während ihre blassen Leiber sich wanden, musste Clement seltsamerweise an Maden oder Larven denken, die zappelten, wenn sie dem Licht ausgesetzt waren.
    Einmal nahmen sich Philip und zwei andere gleichzeitig eine Frau vor. Als sie fertig waren, stellten sie fest, dass sie ihr Opfer erstickt hatten. Es blieb liegen, wo sie es getötet hatten, eine Mahlzeit für die Hunde und Vögel. Die anderen Frauen nahmen sie mit in die Stadt, wo sie vier von ihnen an eine Gruppe Deutscher verkauften und die fünfte verspielten.
    Befriedigt und voll und ganz mit den Frauen beschäftigt, versuchten die Männer nicht, tiefer in die Katakombe vorzudringen, und ließen das Loch im Boden weit offen zurück.
     
    Ein paar Nächte später gingen Clement und einige andere noch einmal die Via Appia entlang und suchten nach der Tür. Clement hatte ein gutes Gedächtnis, und er war in jener Nacht nicht gar so furchtbar betrunken gewesen. Aber so sehr er auch suchte, er fand keine Spur von einer Türöffnung im Boden, von den Ausschweifungen, die hier stattgefunden hatten, oder von der getöteten Frau. Als er an den Anblick der blassen Frauen zurückdachte, die sich wie ungeschützte Würmer am Boden gewunden hatten, kam es ihm wie ein Traum vor.

 
43
     
     
    Wir verabredeten uns mit Daniel und Lucia im Kolosseum. Peter und ich grinsten einander an, als Daniel per E-Mail diesen abenteuerlich-romantischen Treffpunkt vorschlug. Aber wir ließen uns trotzdem darauf ein. Es war ein heller Novembermorgen.
     
    Von unserem Hotel aus war es nur ein kurzer Spaziergang über Mussolinis majestätischen Boulevard bis zum Kolosseum. Seine erhabene Ruine ragte vor uns auf, als wir näher kamen. Tatsächlich war das Kolosseum ein entscheidender Grund für Mussolini gewesen, seine Kaiserstraße hier zu bauen, denn er wollte von seinem Palast an der Piazza Venezia aus einen unverstellten Blick darauf haben. Die Größe des Bauwerks täuschte; wir schienen lange zu brauchen, um den Fuß dieser mächtigen Mauer zu erreichen, und noch länger, um den asphaltierten Vorplatz zu umrunden.
    Als wir zum öffentlichen Eingang kamen, atmete Peter schwer, und er schwitzte heftig. Er wirkte aufgeregt, und mit seinem unbekümmerten Benehmen war es vorbei, aber er wollte nicht sagen, was ihn beschäftigte.
    Wir stellten uns in einer im Gletschertempo vorrückenden Schlange mehr oder weniger geduldiger Besucher vor dem verglasten Kartenschalter an. Straßenhändler bearbeiteten die Menge: Wasserverkäufer, mit Hawaiihemden bekleidete Trödler, die Armreifen, Filzhüte und Kunstlederhandtaschen verhökerten, und ein paar glaubwürdig klingende Mädchen mit amerikanischem Akzent, die »offizielle« Führungen anboten. Gruppen junger Burschen in imitierten scharlachroten und goldenen Legionärsuniformen mit Plastikschwertern erboten sich, für Fotos mit Touristen zu posieren. Mit meiner britischen Denkungsart konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, sie wären ebenfalls »offiziell« tätig, also mit Billigung der Stadt oder der für das Kolosseum zuständigen Behörde, bis ich sah, wie sie sich um einen unglücklichen amerikanischen Touristen scharten und zwanzig Euro für jedes soeben geschossene Foto verlangten.
    Doch über all diesen Unwürdigkeiten ragten die antiken Mauern auf, an denen trotz fünfzehnhundertjähriger Vernachlässigung und Plünderung immer noch Marmor hing.
    Peter fühlte sich unwohl. »Scheiß-Italiener«, sagte er. »Früher haben sie zehn Minuten gebraucht, um fünfzigtausend Leute in dieses Stadion reinzukriegen. Und jetzt das.«
    Endlich hatten wir uns zur Spitze der Schlange vorgearbeitet, unsere Eintrittskarten gekauft und durch ein Drehkreuz das Innere des Stadions betreten.
    Das riesige Bauwerk war eine hohle Hülle. Drinnen krümmten sich höhlenartige Korridore zu beiden Seiten außer Sicht. Peter wirkte ein bisschen verloren, aber mir, einem alten Kenner der Architektur englischer Fußballstadien, war das alles überraschend vertraut. Die Korridore und Nischen waren allerdings voller Schutt; überall lagen große Stücke heruntergefallenen Mauerwerks und Fragmente von Säulen und

Weitere Kostenlose Bücher