Der Orden
Nonnen- und Mönchsklostern wurden aufgebrochen, und was man darin fand, landete auf der Straße. Wer in Kirchen Zuflucht suchte, wurde massakriert; selbst in der Peterskirche starben fünfhundert Menschen. Priester mussten an obszönen Travestien der Messe teilnehmen, und wenn sie sich weigerten, wurden sie ausgeweidet, gekreuzigt oder nackt und in Ketten durch die Straßen geschleift. Nonnen wurden vergewaltigt und bei Glücksspielen als Einsatz gesetzt, Nonnenklöster in Bordelle verwandelt, in denen Frauen der oberen Stände zur Prostitution gezwungen wurden. Heilige Reliquien wurden geschändet; der Schädel des Apostels Andreas wurde mit Füßen durch die Straßen gestoßen, das Taschentuch der heiligen Veronika in einem Wirtshaus verkauft, die Lanze, mit der Jesus angeblich durchbohrt worden war, von einem Deutschen wie eine Kampftrophäe zur Schau gestellt.
Clement beteiligte sich an der Folterung eines reichen Mannes, der gezwungen wurde, seine Tochter zu vergewaltigen, und an der eines anderen, sehr dicken Mannes, der seine gerösteten Hoden essen musste. Hinterher konnte er nicht glauben, was er getan hatte.
Die Plünderung Roms war das Endresultat von Jahrzehnten des Argwohns, der Eifersucht und der Feindseligkeit. Die Renaissancepäpste waren große Förderer der Künste gewesen, hatten sich jedoch wie ehrgeizige Zwergfürsten verhalten und sich zahlreiche Feinde geschaffen. Zugleich war Rom wegen seines Reichtums zu einer Beute geworden, auf welche die europäischen Mächte, insbesondere Frankreich und Spanien, ein Auge geworfen hatten. Schließlich hatten Franzosen, Spanier und landlose deutsche Lutheraner unter Karls kaiserlichem Banner gemeinsame Sache gemacht. Aber nichts von alledem hätte die Plünderung rechtfertigen können.
Sie dauerte monatelang. Angeblich kamen dabei zwölftausend Menschen ums Leben. Zwei Drittel der Wohngebäude wurden niedergebrannt. In dem so entstandenen Trümmerfeld lagen verwesende, von Hunden angefressene Leichen. Selbst am Sonntag ertönte in ganz Rom keine einzige Kirchenglocke.
In einer warmen Nacht wagte sich Clement mit einem Trupp von rund einem Dutzend Mann aus den Stadtmauern hinaus. Sie waren betrunken. Vielleicht würden sie hier draußen nichts finden, aber es wäre zumindest eine Erholung vom Gestank der Stadt, in der man inzwischen angeblich keinen leerenswerten Geldbeutel und keine Jungfrau über zwölf Jahren mehr finden konnte.
Die Soldaten des Kaisers folgten einer alten Straße, die die Einheimischen Via Appia nannten. Sie war von Unkraut überwuchert und ausgefahren, aber man konnte noch ihren schnurgeraden Verlauf erkennen. Sie tranken, sangen unanständige Lieder und prüften unterwegs den Boden mit Stöcken und Speeren. Es gab Geschichten über Katakomben hier draußen, und wo Katakomben waren, fand man vielleicht auch Schätze.
Zufällig war es Clement, der die Tür entdeckte. Sein abgebrochener Stock – in Wirklichkeit ein zerschlagenes Kruzifix – stieß auf Holz, wie er glaubte, jedenfalls auf etwas Festes.
Er rief die anderen herbei, und bald scharrten sie im Gras und im Erdreich und schaufelten es mit den Händen beiseite. Allmählich legten sie eine große, quadratische Tür im Boden frei. Sie versuchten, sie zu öffnen, aber sie rührte sich nicht.
Also ging Philip, ein Schrank von einem Mann aus Südspanien, auf Hände und Knie und begann, auf die Tür einzuhämmern. Wenn sie nicht geöffnet werde, würde sie eingeschlagen oder verbrannt werden, rief er, und das wäre noch schlimmer für diejenigen, die sich darunter befänden. Nichts davon rief eine Reaktion hervor, und so begannen die Männer, Holz für ein Feuer zu sammeln, um sich durch die Tür zu brennen.
Dann aber öffnete sich diese unerwartet. Philip kletterte hinunter, und bald waren alle Männer um die Tür versammelt und zerrten daran.
Ein Raum unter der Erdoberfläche wurde freigelegt. Clement sah, dass die Wände verputzt und weißt getüncht waren; Lampen flackerten im Luftzug. Und es waren Frauen darin – sechs Frauen, keine jünger als sechzehn oder älter als fünfundzwanzig, schätzte er, und sie trugen weiße Kleider. Sie standen in einer Reihe da und schauten nach oben, wie betende Nonnen. Sie waren sehr blass, wie Gespenster, aber schön, und jede von ihnen hatte eine vollschlanke Figur.
Als die Männer mit lautem Gebrüll nach ihnen griffen, verloren sie die Nerven. Sie klammerten sich aneinander und kauerten sich in ihr Erdloch. Aber sie konnten
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