Der Orden
hatte. Dann zerstörte ich seine Geräte, so gut ich konnte, indem ich alles löschte, was darauf war, sie aufbrach, die Chips vernichtete und die Überreste ins Mittelmeer warf.
Der Vorfall verschwand bald aus dem Blickpunkt des öffentlichen Interesses: Bombenanschläge in bevölkerungsreichen Städten sind heutzutage leider gang und gäbe. Die Behörden versuchen natürlich immer noch, irgendetwas auszugraben. Eine gängige Theorie lautet, dass es vielleicht eine Spur zu den üblichen Verdächtigen im Nahen Osten gibt. Es scheint sich jedoch ein Konsens herauszubilden, dass in erster Linie Peter selbst für die beiden Anschläge in San Jose und Rom verantwortlich gewesen sein muss, und dass er so etwas wie ein verrückter Einzelgänger mit einem unverständlichen Groll war, denn es fanden sich keine weiteren Verbindungen zwischen dem Labor für geometrische Optik und dem großen Loch im römischen Boden.
Was die große unterirdische Stadt unter der Via Appia betrifft, so haben die ausschwärmenden Drohnen sie leer geräumt, bevor die Behörden bis in die letzten Winkel vordringen konnten – keine Ahnung, wie sie das geschafft haben. Außer der Infrastruktur, den Räumen, den Trennwänden und den Luftschächten des Ventilationssystems gab es nur noch wenig zu sehen. Der Zweck einiger Räume lag auf der Hand – die Küchen mit ihren Gasanschlüssen, die Schlafsäle mit den heil gebliebenen Etagenbetten, die Klinik. Einige andere Räume hätte ich identifizieren können, wenn mich jemand gefragt hätte, so zum Beispiel die Kindergärten und die muffigen, geheimnisvollen Räume ganz unten, in denen die mamme-nonne gelebt hatten. Sie hatten sogar sämtliche Zentralrechner abgebaut.
Jeder konnte sehen, dass dort unten ein gewaltiges Projekt über einen sehr langen Zeitraum hinweg am Leben erhalten worden war. Aber worin dieses Projekt bestanden hatte, war nicht mehr zu erkennen. Verschwörungstheorien schossen ins Kraut; der populärsten zufolge war die Krypta ein Atomkriegsbunker wie aus Dr. Seltsam, vielleicht von Mussolini selbst erbaut.
Erstaunlicherweise wurde der Orden nicht mit der Krypta in Zusammenhang gebracht. Irgendwie kappten die Büros an der Erdoberfläche die Verbindungen zu dem unterirdischen Komplex – sie mussten auf einen solchen Notfall vorbereitet gewesen sein –, sodass sie sich als weitere zufällige Opfer der Katastrophe darstellen konnten. Als sich der Staub wieder gelegt hatte, boten sie sogar ihren Genealogie-Service wieder an, vermutlich auf der Basis lokaler Kopien der Kerndaten des Ordens. Man hätte gar nicht gemerkt, dass irgendetwas vorgefallen war.
Nicht alle Drohnen aus der Krypta verschwanden in den Gassen. Pina, Lucias unzuverlässige Freundin, brach sich zufälligerweise den Arm, als sie durch eine eingestürzte Decke fiel, und wurde unter Schutt begraben. Die Drohnen bekamen sie nicht heraus, bevor die Feuerwehr zu ihr gelangte. Sie wurde in eines der großen Lehrkrankenhäuser in Rom gebracht. Ich hackte mich mit Daniels Hilfe in die relevanten Krankenakten, um herauszufinden, was passiert war.
Als die Ärzte sie zu untersuchen begannen und die alten Unterlagen hinzuzogen, die sie bei jenem mehrere Jahre zurückliegenden, ganz ähnlichen Unfall zusammengestellt hatten, waren sie verblüfft von Pinas präpubertärem Zustand. Es gelang ihnen, dem Mechanismus ihrer Sterilität auf die Spur zu kommen. Eine reduzierte Hormonausschüttung im Hypothalamus führte zu einer unzureichenden gonadotropen Sekretion, die wiederum den Eisprung blockierte… und so weiter. Ich verstand im Grunde kein Wort, und ich kannte keine vertrauenswürdigen Mediziner, die es mir dekodieren konnten. Ich glaube, es spielte sowieso keine Rolle, denn obwohl die Ärzte herausfanden, wie es zur Sterilität gekommen war, kamen sie nicht dahinter, weshalb. Und Pina hielt offenkundig dicht.
Sie behielten sie zwei Monate im Krankenhaus. Am Ende dieser Zeit hatten seltsamerweise einige Veränderungen in ihrem Körper stattgefunden. Anscheinend fingen ihre Drüsen an, die komplexe Kette für den Eisprung erforderlicher Hormone zu produzieren: Es war, als käme sie mit sechsundzwanzig Jahren nun endlich in die verspätete Pubertät. Vielleicht würden sich auch alle anderen Drohnen »erholen«, wenn man sie vom Schwarm trennte.
Doch bevor dieser Prozess abgeschlossen war, verschwand Pina aus dem Krankenhaus. Sie wurde von »Verwandten« abgeholt, genauso wie Lucia damals. Ich hörte nie wieder etwas von
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