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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Frauenfiguren in schweren Kapuzenumhängen, nicht viel größer als Aetius’ Daumen. Aetius schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch, wie mein Vater sie mitgebracht hat – eigentlich sind sie nur billiger Tand, wie er von den Kunsthandwerkern am Rhein tausendfach hergestellt wird –, aber für uns sind sie wertvoll geworden. Für jeden guten Römer steht die Familie ganz und gar im Mittelpunkt, weißt du. Und nun musst du auf unsere Götter, auf unsere Familie aufpassen. Gib mir deine Hand.«
    Als sie die Hand öffnete, um die Göttinnen entgegenzunehmen, zuckte Regina unwillkürlich zurück. Sie dachte, die matres würden ihr die Haut verbrennen oder vereisen oder ihre Knochen zerbröseln lassen. Aber sie waren nur Steinklumpen, wie Kiesel, warm von Aetius’ Hand. Sie schloss die Finger darum. »Ich werde sie sicher aufbewahren. Für meine Mutter.«
    »Ja«, sagte Aetius. Er stand auf. »Jetzt geh mit Carta und pack deine Sachen. Deine Kleider – alles, was du mitnehmen willst. Wir machen eine Reise, du und ich.«
    »Kommt Mutter mit?«
    »Es wird aufregend werden«, sagte er. »Und lustig.« Er lächelte gezwungen, aber sein Gesicht war hart.
    »Soll ich meine Spielsachen mitnehmen?«
    Er legte ihr die Hand auf den Kopf. »Ein paar. Ja. Natürlich.«
    »Großvater?«
    »Ja?«
    »Warum hast du den Männern befohlen, meinen Vater mit dem Gesicht nach unten in den Sarg zu legen?«
    Aber er antwortete nicht, sondern sagte nur: »Seht zu, dass ihr morgen ganz früh fertig seid – alle beide.«
    Die Göttinnen umklammernd, zerrte Regina aufgeregt an Cartas Hand, und sie machten sich auf den Rückweg zur Villa.
    Erst viel später erfuhr Regina, dass man einen Leichnam mit dem Gesicht nach unten in den Sarg legte, um sicher zu gehen, dass der Tote nicht in die Welt der Lebenden zurückkehrte.
     
    Am nächsten Tag opferte Aetius kurz nach Sonnenaufgang ein kleines Huhn. Er untersuchte die Innereien eingehend nach Omen für die Reise, sprach ein leises Gebet und verscharrte den Kadaver. Dann reinigte er seine Hände vom Blut, indem er sie an der Erde abrieb.
    Ein wuchtiger Pferdewagen fuhr in den Hof der Villa.
    Natürlich hatte Regina erst zur Hälfte gepackt, obwohl Carta ihr half. Als Aetius die Anzahl der offenen Kisten und Truhen in ihrem Zimmer sah, knurrte er und holte Kleidungsstücke und Spielsachen wieder heraus. »Nimm nur das mit, was du brauchst, mein Kind! Du bist so verwöhnt – aus dir würde nie ein Soldat werden.«
    Sie lief herum und hob die kostbaren Kleidungsstücke, Spiele und billigen Schmuckstücke auf. »Ich will kein Soldat werden! Und ich brauche das hier und das hier!«
    Aetius seufzte und verdrehte die Augen. Aber er diskutierte mit ihr, bis er sie auf vier große Holzkisten heruntergehandelt hatte, und genehmigte ihr in den letzten, hitzigen Phasen noch ein paar eigentlich überflüssige Dinge. Ein muskulöser Sklave namens Macco schleppte die Kisten zum Wagen hinaus.
    Carta half Regina, ihre beste Straßenkleidung anzulegen – eine raffinierte, aus einem Stück gewobene Wolltunika mit langen Ärmeln und einem Schlitz für den Hals. Sie trug sie, über einer Untertunika aus feiner Wolle, mit einem Gürtel um die Taille.
    Aetius stand steif vor ihr, ballte eine Hand zur Faust und öffnete sie wieder. Dann kniete er sich hin, um ihr den Gürtel zurechtzurücken. »Wunderschön, wunderschön«, sagte er barsch. »Du siehst wie eine Prinzessin aus.«
    »Schau dir die Farben an.« Regina zeigte darauf. »Das Gelb ist Brennnesselfarbe, das Orange ist aus Zwiebelhäuten und das Rot aus Krappwurzeln. Es ist alles mit Salz fixiert, damit es nie ausbleicht.«
    »Gar nie? Nicht einmal in tausend Jahren?«
    »Nie.«
    Er grunzte, erhob sich und blickte auf. »Cartumandua! Bist du fertig?«
    Carta trug eine Tunika aus schlichter, gebleichter Wolle und hielt eine kleine Reisetasche in der Hand.
    »Kommt Carta auch mit?«, fragte Regina.
    »Ja, Carta kommt mit.«
    »Und Mutter – soll ich sie suchen gehen?«
    Aber Aetius hielt sie am Arm fest. »Deine Mutter kommt heute nicht mit uns.«
    »Kommt sie nach?«
    »Ja, sie kommt nach.« Er klatschte in die Hände. »Die Sonne ist schon halb über den Himmel gewandert, und ich hatte gehofft, inzwischen ein Pünktchen am Horizont zu sein. Beeilt euch, ehe der Tag ganz um ist.«
    Regina lief hinaus und stieg auf die Kutsche, ein schlichtes, offenes Gestell, das große Holzräder mit Eisenreifen und komplizierten Naben besaß. Sie würde vorne sitzen, bei

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