Der Orden
ähnliche Hierarchie gab es auch bei den Städten, von den kleineren Marktflecken über die Gemeinde- und Provinzhauptstädte bis zu Londinium, der Hauptstadt der Diözese.
Die wichtigste Aufgabe der zentralen Verwaltung bestand im Eintreiben der Steuern und der Verteilung staatlicher Mittel.
Der größte Teil der Steuergelder kam vom Land, denn dort lebten die meisten Menschen. Grundbesitzer wie Reginas Vater sammelten die kaiserlichen Steuern von ihren Pächtern ein und gaben sie mit ihrer eigenen Pacht ab. Aus den Steuereinkünften wurden die Gehälter der Soldaten und der Seeleute der Flotte bezahlt, die Britannien vor den Barbaren schützten, die sonst aus dem Norden und über das Meer einfallen würden.
Die Menschen murrten über die Steuern, die sie bezahlen mussten. Aber der größte Teil des vereinnahmten Geldes kam wieder in Umlauf. Die enormen Mengen von Nahrungsmitteln, Tieren, Kleidungsstücken, Metallarbeiten, Töpferwaren und anderen Gütern, die vom Staat gekauft wurden, um das Heer und seine anderen Organe zu unterhalten, waren sogar von zentraler Bedeutung für das Funktionieren der Wirtschaft.
Aetius bemühte sich, dem Mädchen das zu erklären: »Es ist wie ein Rad, Regina. Es dreht sich pausenlos, ein riesiges Rad aus Geld und Waren, Steuern und Ausgaben, das dafür sorgt, dass alle in Sicherheit und Wohlstand leben. Aber wenn sich ein Rad von seiner Nabe löst…«
»Kippen wir um.«
»Genau. Alles würde umkippen. Tja, und als mein alter Kumpel Constantius uns Soldaten zu seinem Abenteuer in Europa mitnahm, gelangten einige Leute in den Städten zu dem Schluss, dass sie seine Steuern nicht mehr zu bezahlen brauchten. Sie haben seine Steuereintreiber und Beamten hinausgeworfen und erklärt, sie würden das Geld selbst einsammeln und für ihre eigenen Städte verwenden, statt es einem fernen Kaiser zu geben, den sie nie zu Gesicht bekämen. Nun rücken die Menschen ihr Geld zwar heraus, wenn es ein Kaiser von ihnen verlangt – vor allem wenn er ein Heer hat, das es eintreibt –, aber sie sind weitaus weniger bereit, es irgendeinem fetten Dummkopf von einem lokalen Grundbesitzer zu geben…«
Regina war ein intelligentes Kind und verstand eine ganze Menge. Aber mit sieben Jahren hatte sie als Schülerin genug Erfahrung, um zu merken, dass Aetius vielleicht ein guter Soldat, aber ganz bestimmt kein Lehrer war. Er war langweilig.
Und während der Tag sich dahinschleppte und die Hitze immer erstickender wurde, fühlte Regina sich zunehmend unwohl. Sie hatte ihre Mutter jetzt schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Aetius erwähnte Julia mit keinem Wort, und Regina hütete sich davor, ihn nach ihr zu fragen. Trotzdem vermisste sie ihre Mutter und fragte sich, wo sie war. Sie zog sich in sich selbst zurück und wurde immer störrischer.
Schließlich gab Aetius nach und ließ sie hinten bei Carta sitzen. Sie versuchten, ludas latrunculorum zu spielen – »Soldaten«, ein schnelles Spiel, ein wenig wie Schach, aber ausschließlich mit Türmen –, doch die Kutsche holperte so stark, dass die farbigen Glassteine von ihren Feldern rutschten. Daher begnügten sie sich mit par impar, einem schlichten Ratespiel mit Kieselsteinen, die man in der Hand hielt.
Auch die folgende Nacht verbrachten sie wieder in einer Raststation. Am nächsten Tag brachen sie erneut früh auf, aber es fiel Regina zunehmend schwer, still zu sitzen.
Die Dinge spitzten sich zu, als das Wetter gegen Mittag abrupt umschlug und ein gewaltiger Wolkenbruch aus einem grauen, bedeckten Himmel niederprasselte. Aetius bestand darauf, dass sie weiterfuhren, aber bald waren sie alle gründlich durchnässt. Regina fror und hatte Angst; noch nie war sie einem solchen Zorn der Elemente ausgesetzt gewesen.
Als das Unwetter endlich nachließ, schob sie sich von Aetius weg und sprang von der Kutsche. »Ich fahre nicht weiter! Ich will nach Hause, und zwar sofort! Kehr um und bring mich heim! Ich befehle es dir!«
Aetius war wütend. Er versuchte es mit Beschwichtigungen und mit Strenge, aber es fruchtete alles nichts; und als sein Wille an der Sturheit der Siebenjährigen brach, stampfte er mit geballten Fäusten auf der Straße herum.
Cartumandua mischte sich einigermaßen couragiert ein. Selbst nass bis auf die Haut, stieg sie auf die Straße hinunter, strich Regina die Haare aus dem Gesicht und beruhigte sie. »Herr, du kannst nicht mit ihr sprechen, als wäre sie einer deiner Legionäre«, wandte sie sich sodann an Aetius. »Und du
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