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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Achseln. »Nach der Beerdigung hattest du andere Sachen im Kopf.« Seine Stimme hatte einen gewissen Beiklang. Einen Subtext. Ich bin daran gewöhnt. »Aber dein Interesse ist erwacht, als du mich im Fernsehen gesehen hast. Das ist schon okay. Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt mit Webdesign – hauptsächlich Firmen-Websites – und Spieledesign.«
    »Spiele?«
    »Internetbasierte Multiuserspiele. Ich war immer gut in Computerspielen. Hängt mit der Fähigkeit zur Erkennung von Mustern in lückenhaften und disparaten Informationen zusammen, glaube ich. Hat auch einen guten Cop aus mir gemacht. Das und die Machtlosigkeit.«
    »Machtlosigkeit?«
    In seinem Grinsen lag ein Anflug von Selbsterniedrigung. »Du kennst mich doch, George. Was mein Leben betrifft, hatte ich kaum je irgendwas im Griff. In sozialen Dingen war ich immer unbeholfen. Ich hab nie kapiert, was sich da abspielte -Sachen, die andere anscheinend erkennen konnten, ohne darüber nachzudenken.« Da hatte er Recht. In späteren Jahren hatten wir, seine Freunde, sogar vermutet, dass er vielleicht ein bisschen autistisch war. »Ich bin es gewohnt, mich in Situationen zu befinden, in denen ich die Regeln nicht kenne, weißt du, und mir doch irgendwie einen Weg zu suchen. Eine chaotische Landschaft zu dekodieren.«
    »Und ist das da eines deiner Spiele?«
    »Es ist ein persönliches Projekt.«
    Ich zeigte auf den Bildschirm. »Ich sehe Noten, aber ich erkenne sie nicht. Ein Verschlüsselungssystem?«
    »Ja, in gewissem Sinn, aber das ist nicht der eigentliche Zweck.« Er wirkte einen Moment lang verlegen, sah mir aber entschlossen ins Gesicht. »Es ist eine SETI-Site.«
    »SETI?«
    »Suche nach extraterrestrischer Intelligenz.«
    »Aha, verstehe.«
    Er sprach schnell. »Wir haben jetzt vierzig Jahre lang auf Radiowellengeflüster vom Himmel gelauscht. Aber das ist die Denkweise des zwanzigsten Jahrhunderts. Wenn du eine ETI wärst und etwas über die Erde erfahren wolltest, was würdest du studieren? Das Internet natürlich, was sonst? Es ist bei weitem die größte und bestorganisierte Informationsquelle auf dem Planeten.«
    »Du denkst, Aliens loggen sich ein?«, fragte ich vorsichtig nach.
    »Warum nicht? Auf diese Weise bringst du viel mehr über die Menschheit in Erfahrung, als wenn du einem Farmer aus Kansas eine Sonde ins Rektum schiebst.« Er schien zu spüren, was ich dachte, und verzog des Gesicht. »Sagen wir einfach, ich war seit der ersten Ausstrahlung von Fireball XL5 von dem Gedanken fasziniert, dass es extraterrestrische Intelligenz geben könnte. Du nicht?«
    »Doch, wahrscheinlich. Aber du hast dir dein Interesse bewahrt. Du bist… äh… ein Experte in diesen Dingen geworden.«
    »Nicht mehr als jeder andere auch. Ich bin bloß an die richtigen Netze angeschlossen, nehme ich an. Mein Name ist bekannt. So bin ich ins Fernsehen gekommen.«
    »Und deine Site soll ihre Aufmerksamkeit erregen?« Ich betrachtete sie. »Mir kommt sie ein bisschen hektisch vor.«
    »Also, ich bezweifle, dass sich eine ETI für schickes Webpage-Design interessieren wird. Die Site ist in erster Linie sehr informationsreich – was du hier siehst, sind die Werke von Chopin, in komprimiertem Binärformat dargestellt – und so codiert, dass die ETIs leicht auf sie stoßen müssten. Ein Köder, verstehst du. Und wenn die ETIs meine Site tatsächlich fänden – na ja, sehr wahrscheinlich ist das nicht, aber es kostet ja nicht viel, sie einzurichten und zu pflegen –, würde sich das ungeheuer auszahlen. Findest du nicht, dass sich der Versuch lohnt? Ich mache das übrigens nicht allein«, sagte er ein wenig defensiv. »Es gibt ein ganzes Netz von Forschern, größtenteils aus den Staaten…«
    Er erzählte mir etwas über eine bizarr klingende Online-Community von Gleichgesinnten. »Wir nennen uns Slan(t).« Das musste er mir aufschreiben. »Slan ist eine Anspielung auf einen alten Science-Fiction-Begriff – in modernisierter Form, verstehst du… Das bringt ziemlich präzise unser Selbstverständnis zum Ausdruck. Die Slan(t)er sind eine neue Art von Gemeinschaft, ein Haufen Außenseiter, der Rand der Gesellschaft, vereint durch neue Technologie.«
    »Da sind bestimmt ein Haufen Kalifornier dabei.«
    Er grinste. »Ja, zufälligerweise. Die Gruppe ist schon lange vor meinem Beitritt entstanden.« Er sagte, bei Slan(t) gebe es keine Hierarchie; alles sei »bottom-up«. »Es ist eine sich selbst organisierende Community. Online am schwersten zu modellieren ist

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