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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich einigermaßen auszukennen, aber manche der raubeinigeren Soldaten, so hatte man ihr ziemlich deutlich erklärt, seien keine geeignete Gesellschaft für die zwölfjährige Enkelin des Präfekten.
    Magnus war also ein guter Mann. Aber er war so langsam. Seine schinkengroße Hand hing kurz über dem Spielbrett, aber dann zog er sie wieder zurück.
    »Ach, Magnus, nun mach schon«, flehte Regina. »Was ist daran so schwierig? Es ist nur ein Soldatenspiel, und wir haben doch gerade erst angefangen. Die Stellung ist einfach.«
    »Wir haben nicht alle das Blut eines Präfekten in unseren Adern, junge Dame«, murmelte er lakonisch. Er setzte sich bequemer hin, den Speer an die Brust gedrückt, und fuhr mit seiner geduldigen Begutachtung des Spielbretts fort.
    »Also, mir wird’s allmählich kalt am Rücken.« Sie sprang auf und marschierte auf dem schmalen, mit Steinplatten ausgelegten Kamm hinter der Brustwehr auf und ab.
    Es war ein sonniger Herbsttag, und der Himmel im Norden Britanniens war von einem tiefen, satten Blau. Sie befanden sich im Beobachtungsstand eines Wachpostens auf der Mauer der Festung Brocolitia – genau genommen hatte Magnus jetzt sogar Wachdienst –, und Regina konnte in jeder Richtung bis zum fernsten Horizont schauen. Die wellige Moorlandschaft war schon im Hochsommer kahl und öde, und zu Herbstbeginn war sie es umso mehr. Nirgends war ein Lebenszeichen zu sehen, außer einer einzigen schwarzen Rauchfahne, die weit im Norden zum Himmel stieg, so weit entfernt, dass ihr Ausgangspunkt in dem Dunst verborgen lag, der selbst jetzt, so kurz vor Mittag, nicht weichen wollte.
    Und wenn sie nach links oder rechts schaute, nach Osten und Westen, sah sie die Linie des Walls, die über einen natürlichen Kamm aus hartem, schwarzem Fels hinwegmarschierte.
    Der Wall war ein Vorhang aus Ziegelsteinen und Gussgestein, überall mindestens fünf Mann hoch. An der Nordseite lief ein steilwandiger Graben entlang, gefüllt mit Abfall und Unkraut – und an manchen Stellen mit den Überbleibseln von Schlachten, zerbrochenen Schwertklingen, zerbeulten Schilden und zertrümmerten Rädern; hin und wieder schlichen sich die langhaarigen Leute aus dem Norden hinein, um Eisenstücke zu bergen. Im Süden, jenseits der parallel zum Wall verlaufenden Straße, erstreckte sich ein weiterer breiter Graben namens vallum. Das vallum hatte man hier und dort zugeschüttet, um leichter von den Festungen auf dem Wall zu der schmutzigen kleinen Siedlung aus Hütten und Rundhäusern zu gelangen, die im Laufe der Generationen im Süden entstanden war.
    Es war ein faszinierender Gedanke, dass die gewaltige Linie des Walls quer über den Hals des Landes verlief. An klaren Tagen konnte man die Wachposten sehen, die bis zum Horizont auf ihm hin und her marschierten wie Ameisen auf einer Schnur. Während es auf der Nordseite nichts als Moor, Heide und Unrat gab, zog sich an der Südseite eine ganze Kette von Siedlungen entlang, die von den Soldaten und ihren Familien sowie denjenigen bewohnt wurden, die von ihnen lebten. Sie sei wie eine einzige Stadt, sagten einige der Soldaten, eine schmale Stadt von achtzig Meilen Länge, ein Gürtel der Trinkerei, der Hurerei, der Hahnenkämpfe, des Glücksspiels und anderer Laster, von denen Regina noch weniger wusste.
    In der langen Zeit, die es den Wall nun schon gab, hatte sich jedoch vieles verändert, wie sie aus Aetius’ hartnäckigen Vorträgen wusste. Die Bedrohung, der sich der Wall gegenübersah, war gewachsen. Im Vergleich zu den verstreuten, verfeindeten Stämmen, mit denen Hadrian, der Erbauer des Walls, konfrontiert gewesen war, stellten die heutigen Barbarenvölker, wie die Pikten im Norden des Walls, einen weit ernster zu nehmenden Gegner dar.
    Früher einmal, sagte Aetius, sei das Heer des Imperiums dem Gehäuse einer Schnecke vergleichbar gewesen: Wenn man es durchbrach, war man sofort im weichen, schutzlosen Kern der besiedelten Provinzen. Nach den katastrophalen Barbareneinfällen der jüngsten Zeit hatte man daraus Lehren gezogen, und so war der Wall trotz seiner imposanten Präsenz heute nur ein Element eines tief gestaffelten Verteidigungssystems. Weit hinter der Linie des Walls, im Penninischen Gebirge und noch südlicher, gab es Festungen, von denen aus man jeden Barbareneinfall abwehren konnte. Und nördlich des Walls lagen weitere Festungen, auch wenn nur wenige davon gegenwärtig bemannt waren. Wirkungsvoller waren die arcani, die unter den Stämmen des Nordens

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