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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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bewaffnet – seltsamerweise aber nur mit einem Ding, das wie die eiserne Sichel eines Bauern aussah. Severus verhandelte mit ihm. Als ehemaliger Soldat hatte er sofort eine Gesprächsgrundlage mit dem Torwächter, und sie tauschten langweilige, unverständliche Details über Missionen, Ränge und Dienstpflichten aus.
    Von den Mauern aus sahen andere Männer zu, Männer, die mit Schwertern und Bogen bewaffnet waren. Sie schauten abwägend zu Regina und Carta herunter. Regina blieb zusammengekauert in ihrem Umhang sitzen und gab sich Mühe, formlos und unbedeutend zu erscheinen.
    Alter Soldat hin oder her, Severus musste einen Zoll entrichten, um in die Stadt eingelassen zu werden, was ihm ein vernehmliches Murren entlockte. Der Karren ratterte durchs Tor und holperte über Schutt. Die Mauer war so dick, dass der Torweg eine Art Tunnel war, und das Klappern der Pferdehufe hallte von den Wänden wider.
    Als sie wieder ins Licht hinauskamen, waren sie in der Stadt – aber Regina sah zunächst nur überall Grün. Abseits der Straße wurde so gut wie jedes Fleckchen Boden landwirtschaftlich genutzt. Obst- und Gemüsegärten reihten sich aneinander, und Tiere streiften umher – Schafe, Ziegen, Hühner, ja sogar ein Schwein, das mit der Schnauze unter einem abgebrochenen Stück der Fahrbahn wühlte. Menschen eilten geschäftig hin und her, überall liefen Erwachsene und Kinder herum, alle in schlichte Wolltuniken und Umhänge gekleidet. Es roch penetrant nach Tieren und Essensdünsten, aber darunter lag ein noch stärkerer Gestank, der Fäulnisgeruch von Abwässern.
    All das hatte gar keine Ähnlichkeit mit einer Stadt. Es war ein Stück Land, abgeteilt durch die Mauer. Hier und dort ragten jedoch imposantere Gebilde aus dem Grün – Bogengänge, Säulen, und dünne Rauchfahnen stiegen zum Himmel empor.
    Gelenkt von Severus, bahnte sich der Karren vorsichtig einen Weg durch die Menge.
    »So, da wären wir«, sagte Carta leise zu Regina. »Weißt du, wo du bist?« Als Regina nicht antwortete, fragte sie: »Interessiert es dich überhaupt?«
    »In Verulamium«, blaffte Regina. »Ich bin ja nicht blöd.«
    Carta lächelte. »Aber ich würde es ›Verlamion‹ nennen. Das war die Stadt meines Volkes, der Catuvellaunier. Damals, als wir Krieg gegen Caesar führten, unter unserem großen König Cymbeline…«
    »Das weiß ich alles. Du bist also wieder zu Hause.«
    »Ja.« Carta beugte sich vor und sah ihr ins Gesicht. »Aber es ist mein Zuhause«, sagte sie. »Ich bin jetzt keine Sklavin mehr.«
    »Und werde ich nun deine Sklavin sein, Cartumandua?«
    »Nein. Aber du bist hier zu Gast. Merk dir das.«
    Regina wandte sich ab. Sie wollte nicht bei Carta sein, wollte nicht hier in Verulamium sein, wollte nirgendwo sein. Doch selbst sie war beeindruckt, als der Karren vor einem imposanten Stadthaus hielt, das an einer Straßenkreuzung stand. Ein Innenhof wurde von einem offenen Arkadengang mit schlanken Säulen umgrenzt. Im Hof selbst stand eine Hütte, vielleicht ein ehemaliges Pförtnerhaus, das nun jedoch mit Brettern vernagelt war. Man sah Spuren von Verfall, aber die weiß getünchten Wände und die roten Ziegeldächer waren weitgehend unbeschädigt.
    Drei Personen traten aus den Gebäuden – ein älterer Mann und eine Frau, die gleichermaßen schlichte Wolltuniken trugen, sowie ein jüngerer Mann, der in leuchtendere Farben gekleidet war. Wie sich herausstellte, war die Frau eine Dienstmagd namens Marina. Sie half Severus, den Pferden das Geschirr abzunehmen, und führte sie zu einem kleinen Stall außerhalb des Gebäudekomplexes.
    »Marina ist eine Dienstmagd, aber keine Sklavin«, flüsterte Carta Regina ins Ohr. »Denk daran.«
    Der ältere Mann umarmte Carta strahlend, wahrte jedoch Distanz zu Severus. Er wandte sich Regina zu und verbeugte sich höflich. »Cartumandua hat mir in ihren Briefen alles von dir erzählt. Sei willkommen in unserem Haus. Ich bin Cartas Onkel – der Bruder ihrer Mutter. Mein Name ist Carausias.« Er war ein kleiner, untersetzter Mann, noch kleiner als Carta, mit den großen, schwieligen Händen eines Landarbeiters. Er hatte Cartas dunkle Hautfarbe, ihre dunkelbraunen Augen und auch ihr breites Gesicht; sein ordentlich gestutztes schwarzes Haar war allerdings von grauen Strähnen durchzogen, und seine breite Nase war abgeflacht und krumm, als wäre sie gebrochen.
    »Und das ist mein Sohn. Er heißt Amator.«
    Der Junge war ungefähr achtzehn. Seine kurze, extravagant gefärbte Tunika wurde

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