Der Orden
die Marina unter einen Salat aus Hülsenfrüchten und Obst mischte. Sie war eine gleichmütige, fröhlich wirkende Frau von ungefähr dreißig Jahren. Ihre braunen Haare waren straff nach hinten gekämmt und zu einem schlichten Knoten gebunden. Sie lächelte Regina an, offenbar nicht verärgert darüber, dass diese Fremde ihr so lange das Zimmer gestohlen hatte.
Regina schaute sich um. Eindrucksvolle, verblichene Wandbilder verschwanden hinter Borden, auf denen sich Mörser, Siebe und Käsepressen sowie Becher, Krüge, Teller und Schüsseln aus Metall, Glas und Ton stapelten. Die an den Wänden lehnenden, mehrfach ausgebesserten amphorae waren ihren Aufschriften zufolge einmal mit Olivenöl, Datteln, Feigen, Fischsoße und Gewürzen aus dem Osten gefüllt gewesen. Jetzt enthielten sie Nüsse, Weizen, Gerste und Hafer sowie Fisch und Fleisch – gesalzen, gepökelt oder geräuchert.
Es gab keinen Backofen, aber mitten auf dem Mosaikboden war eine Feuerstelle eingerichtet worden, und in die Decke darüber hatte man einen primitiven Kamin geschnitten. Heute brannte kein Feuer, aber die Malereien an der Decke und im oberen Bereich der Wände waren rußverschmiert. Die Hitze hatte viele tesserae des Mosaiks zerbrochen oder verbrannt. Über der geschwärzten Stelle war ein Gitterrost angebracht; darüber hing ein großer Kessel an einer Kette. Regina bemerkte, dass auf dem Mosaik ein schlankes, blasses Mädchen inmitten springender Delfine zu sehen gewesen war.
Marina nickte zu einem Mahlstein, der in einer Ecke des Raumes stand. »Wir brauchen Mehl. Ich werde später noch Brot backen. Kannst du mit dem Stein umgehen?«
Und so setzte sich Regina auf den Boden und fing an, nach Marinas Anweisungen Weizen zu mahlen. Bald umfingen sie die vertrauten, ewigen Gerüche und Geräusche der Küche, und während sie den Mahlstein betätigte – ihre Muskeln kribbelten von der ungewohnten Anstrengung –, spürte sie, wie sich ihre um die immer gleichen Bilder kreisenden Gedanken verflüchtigten.
Sie merkte es kaum, als die Tränen zu fließen begannen.
Aber Marina merkte es. Die Dienstmagd kam zu ihr und nahm sie in den Arm, tätschelte ihr den Rücken und sorgte dafür, dass sie die wenigen, körnigen Hand voll Mehl, die sie produziert hatte, nicht unbrauchbar machte.
Am nächsten Tag ging Carausias mit Regina in die Stadt, um auf dem Forum Einkäufe zu tätigen.
Sie brachen am hellen Vormittag auf – es war ein kalter, klarer, frischer Oktobertag –, und Carausias ermahnte Regina, auf der Hut zu sein. »In deiner Villa, ja sogar am Wall warst du geschützt. Aber in der Stadt ist das anders. Die Leute sind nicht immer nett. Viele von ihnen würden dir den Geldbeutel aufschlitzen – oder den Hals durchschneiden, wenn du Schwierigkeiten machst…«
Regina hörte ihm zu. Aetius hatte sie mit ähnlichen Warnungen überhäuft, seit sie sieben gewesen war, aber sie hatte sich trotzdem in der schmalen Stadt zurechtgefunden.
Die von ihren Mauern umgebene Stadt war wie eine Raute geformt. Ein Gittermuster aus Straßen durchzog sie kreuz und quer; beherrscht wurde es von der Straße nach Londinium, die von Nord nach Süd durch die Stadt führte und von einem großen Bogen überspannt wurde. Regina starrte dieses Monument aus behauenem Marmor an, das reicher verziert war als jedes andere Bauwerk, das sie in ihrem jungen Leben gesehen hatte. Doch an der Fassade klebten Efeu und Flechten und verdeckten die Inschrift an der Oberschwelle; eine gelangweilt wirkende Krähe hüpfte auf seinem mit Guano bedeckten Rückenschild herum.
In der Nähe des Bogens führte die Straße nah an einem sehr seltsamen Bauwerk vorbei. Ein offener Raum wurde von einer halbkreisförmigen Mauer eingefasst, die Regina um ein Vielfaches überragte; Stufen führten zur Brüstung hinauf. Carausias sagte, dies sei das Theater. Als sie fragte, ob sie die Stufen hinaufsteigen dürfe, erlaubte er es ihr mit einem nachsichtigen Lächeln.
Die Holzstufen waren alt und zerbrochen. Von der Brüstung aus schaute sie in eine Schüssel hinunter. Über nach unten hin gestaffelte Terrassen zogen sich halbrunde, hölzerne Sitzreihen, die jetzt geborsten und schmutzig waren. Vorn befand sich eine Bühne mit vier schlanken Säulen davor; sie ähnelte einem kleinen Tempel. Die einzigen Akteure auf der Bühne waren zwei Mäuse, die gerade von einer Säule zur anderen huschten.
Carausias folgte ihr. Er schnaufte ein wenig vor Anstrengung. »Hier finden vierhundert
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