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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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stand auf. »Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Und wissen Sie – Sie haben Recht. Ich werde Gina besuchen. Ich hätte gleich zu ihr gehen sollen.« Ich lächelte so kalt, wie ich konnte. »Und wenn ich irgendwelche blamablen Dinge über Ihre Schule und deren dunkle Vergangenheit herausfinde, dann können Sie sicher sein, dass ich mich damit an die Medien wenden werde.«
    Miss Gisbornes Gesicht war so ausdruckslos wie das einer Statue. »Sie sind ein unangenehmer und mit Fehlern behafteter Mensch, Mr. Poole. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag.«
    Und als die große Schultür sich hinter mir schloss, fühlte ich mich genau so – unangenehm und mit Fehlern behaftet, und hinzu kam noch eine große Portion alter katholischer Schuldgefühle.
    Schuldgefühle hin oder her, auf dem Heimweg buchte ich per Handy einen Flug nach Miami.

 
9
     
     
    Die Reise vom Wall nach Süden durch einen tristen, trüben britannischen Herbst war eine Abfolge verschwommener Eindrücke, ein böser Traum. Nichts an ihr glich dem Abenteuer mit Aetius vor fünf Jahren. Diesmal fuhren die drei - Regina, Cartumandua und Severus – nicht einmal mit einer richtigen Kutsche, sondern mit einem primitiven, schmutzigen, stinkenden Karren, der für den Transport von Heu und Jauche benutzt wurde. In den fünf Jahren hatte sich der Zustand der Straße erheblich verschlechtert; die Gräben am Straßenrand waren von Unkraut und Müll verstopft, die Wegsteine umgestürzt, zerbrochen oder gestohlen, und Schlaglöcher verrieten, wo die Einheimischen Steine aus dem Straßenbelag gebrochen hatten, um sie als Baumaterial zu verwenden. Auch die Raststationen und Herbergen wirkten reichlich heruntergekommen.
    Aber das interessierte Regina alles nicht.
    Sie hockte zusammengekauert mit Cartumandua hinten im Karren, in ihren cucullus gehüllt, und drückte die drei matres an ihren Bauch. Sie sprach nicht, wollte nichts spielen und aß nur widerwillig. Sie hatte nicht einmal Angst, trotz Severus’ fortwährender düsterer Warnungen vor der Gefahr, die ihnen von bacaudae drohte. Diese Vagabunden, die das Land unsicher machten, waren Flüchtlinge aus zugrunde gegangenen Städten und aufgegebenen Villen, nach abgewehrten Invasionen zurückgebliebene Barbaren oder sogar ehemalige Soldaten, die ihre Posten verlassen hatten. Die bacaudae waren Symptome des langsamen Zusammenbruchs der Gesellschaft der Diözese und mussten allesamt als Bedrohung aufgefasst werden.
    Regina schlief, so viel sie konnte, obwohl das Holpern des Karrens sie immer wieder weckte. Nachts lag sie auf Strohsäcken oder manchmal auch nur auf Decken und Umhängen, die auf schmutzigen Fußböden ausgelegt waren, und hörte zu, wie Severus betrunken an Cartumandua herumfummelte. Manchmal blieb sie die ganze Nacht hindurch wach, bis der Morgen kam. In der Dunkelheit war sie wenigstens allein. Und wenn sie wach blieb, gelang es ihr während des trostlosen Tages eher, ins Vergessen des Schlafs zu entfliehen.
    Aber wenn sie doch einmal schlief, fand sie sich beim Aufwachen jedes Mal enttäuscht in dieser unerfreulichen Wirklichkeit der endlosen, sinnlosen, schnurgeraden Straße wieder, einer Wirklichkeit, in der sie nun allein war, allein bis auf die matres – und vielleicht ihre Mutter, die sie verlassen hatte, um nach Rom zu gehen.
     
    Schließlich erreichten sie eine ummauerte Stadt. Sie lag an einem Fluss, auf einer von Gehöften gesprenkelten Ebene. Hinter der Stadt erhob sich ein steiler Hügel mit einigen verstreuten Häusern an den Flanken und auf dem Gipfel.
    Die Stadtmauer überragte Regina mindestens um das Doppelte. Sie war mit quadratischen grauen Schiefertafeln verkleidet, die jedoch an manchen Stellen zerbrochen oder entfernt worden waren, sodass der Mauerkern frei lag: große, eingepasste Bruchsteinblöcke mit Schichten aus flachen roten Ziegeln dazwischen. Verglichen mit dem gewaltigen Wall im Norden wirkte sie natürlich geradezu winzig.
    Sie gelangten an ein Tor, eine massive Konstruktion mit zwei zylindrischen, zinnenbewehrten Türmen. Die Straße führte durch zwei große Torwege hinein; zwei kleinere Seitenpassagen waren offensichtlich für Fußgänger gedacht. Aber die Seitenpassagen waren von Trümmern blockiert, und einer der großen Torbogen war eingestürzt.
    Ein Mann stand vor dem Tor und versperrte ihnen den Weg. Er trug die Überreste eines Harnischs, angelaufene Metallstreifen, die von mehrfach geflickten Lederbändern auf seiner Brust gehalten wurden. Er war

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