Der Orden
die Villa von Reginas Eltern. Aber es hatte offenkundig bessere Zeiten gesehen. Viele der Zimmer waren mit Brettern vernagelt, und in einem schien es sogar gebrannt zu haben.
Während des Rundgangs sah sie auf der anderen Seite des Hofes ein Aufleuchten von Farbe, eine geschmeidige Bewegung. Es war der Junge, Amator. Er war ihnen gefolgt und beobachtete Regina mit ernstem Blick aus glänzenden Augen.
Regina zog sich in ihr Zimmer zurück, sobald sie Carta entkommen konnte.
Am dritten Tag klopfte es an die Tür. Sie machte auf und erwartete, wieder Carta vor sich zu sehen. Es war jedoch Carausias. Er lächelte sie an, die Hände über dem Bauch gefaltet. »Darf ich hineinkommen?«
»Ich…«
Bevor sie ablehnen konnte, hatte er schon die Türschwelle überschritten. Er schaute sich in dem Zimmer um, musterte ihre kleinen Stapel von Kleidern und Habseligkeiten und nickte respektvoll zu ihrem lararium. »Ich bedauere es wirklich sehr, meine Liebe, aber Marina braucht leider ihr Zimmer zurück. Es ist nicht sehr angenehm für sie, in der Küche zu schlafen. Und außerdem hat sie keine sauberen Kleider mehr.«
»Gut«, fauchte Regina und setzte sich mit verschränkten Armen aufs Bett. »Die Dienstmagd kann ihr Zimmer wiederhaben. Ich schlafe in der Küche. Oder im Stall bei den Pferden.«
»Also, das ist doch Unsinn.« Er hockte sich vor sie hin; im Halbdunkel wirkten seine Züge weicher. »Wir wollen nur, dass du dich bei uns wohl und geborgen fühlst.«
»Ich will nicht hier sein. Ich will nicht bei euch sein.«
Er schaute verletzt drein. »Und wo möchtest du sein?«
»In Rom«, sagte sie. »Bei meiner Mutter.«
Er seufzte. »Aber in Gallien wimmelt es von Barbaren, meine Liebe. Ich glaube nicht, dass irgendjemand in absehbarer Zeit nach Rom reisen wird. Erst, wenn sich die Lage wieder beruhigt hat. Und bis dahin«, sagte er etwas schärfer, »wäre es vielleicht ratsam, wenn du das Beste daraus machen würdest.«
Sie lachte ihn aus. »Das Beste? So etwas gibt es nicht. Ich sitze hier in dieser Bruchbude fest. Und…«
»Diese Bruchbude ist das Einzige, was verfügbar ist«, sagte er mit ruhiger, aber fester Stimme. »Und jetzt hör mir zu.
Vor nicht allzu langer Zeit waren wir – meine Frau, mein Sohn und ich, wir alle – noch Bedienstete wie Marina. Wir haben in einer Villa unweit der Stadtmauern gearbeitet. Als die Probleme anfingen, gerieten die Eigentümer der Villa in Schwierigkeiten. Sie führten ein verschwenderisches Leben und wollten nicht aufhören, Geld auszugeben, selbst als ihre Ersparnisse zur Neige gingen. Sie wollten uns als Landarbeiter verkaufen – uns alle –, aber wir waren schließlich keine Sklaven. Am Ende flohen sie und nahmen alles Wertvolle aus der Villa mit – das Geld, den Schmuck, die Töpferwaren, ja sogar einen Großteil des Mobiliars. Aber die Gebäude und das Land ließen sie zurück. Und uns.
Also haben wir das Landgut übernommen. Wir haben den Boden selbst bestellt und unsere Verwandten und Freunde in den Gehöften untergebracht. Bald hatten wir einen Überschuss erwirtschaftet, mit dem wir in der Stadt einkaufen konnten. Das ist erst drei Ernten her.
Nach dem zweiten Jahr hatten wir genug Ersparnisse angehäuft, um dieses Stadthaus zu kaufen; der Vorbesitzer wollte so schnell wie möglich nach Londinium fliehen. Unser Gut wird zwar noch von Verwaltern geführt, aber für uns ist es innerhalb der Mauern sicherer.
Wir haben Erfolg gehabt. Es gibt nur noch zehn Häuser wie dieses in der Stadt, und drei davon stehen leer. Zweifellos wird sich die Lage beruhigen, wenn der Kaiser seine Probleme bewältigt hat. Aber bis dahin werden wir tun, was wir Catuvellaunier immer getan haben. Wir werden hart arbeiten und einander helfen, und wir werden zurechtkommen.«
Er stand auf. »Du bist nicht einmal eine Catuvellaunierin. Aber Carta hat dich mitgebracht. Ich biete dir an, ein Teil dieser Familie, dieser Gemeinschaft zu werden. Du wirst hart arbeiten müssen, wie wir alle. Wenn du das tust, bist du willkommen. Wenn nicht – nun, wir können uns nicht einmal eine weitere Dienstmagd leisten. Das musst du verstehen.« Er stand wartend über ihr.
Schließlich sagte sie: »Die Küche.«
»Was?«
»Ich würde gern in die Küche gehen. Bitte.«
Er machte ein verdutztes Gesicht, sagte aber: »Na schön« und hielt ihr die Hand hin.
Marina arbeitete gerade in der Küche. Sie bereitete das Mittagessen für die Familie zu. In der Luft hing der starke Geruch einer Fischsoße,
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