Der Orkling (German Edition)
antwortete er mürrisch.
»Worauf?«, wollte Samuel wissen.
Groxmox seufzte tief. »Na, dass etwas geschieht«, gab er zurück.
»Aha«, stellte Samuel fest, schwieg eine Weile, und dann: »Und wenn nichts passiert?«
»Dann warten wir weiter«, antwortete Groxmox.
»Ach so«, sagte Samuel. Er ließ noch einmal mehr Zeit verstreichen und fragte dann: »Und wie lange?«
Groxmox drehte sich langsam ganz zu ihm herum, bleckte die Zähne und knurrte drohend, und Samuel schluckte so laut, dass es wie das Kollern kleiner Steine in einem hölzernen Fass klang. Er nickte ein paar Mal. »Ach so. Ich verstehe.«
»Dann ist es ja gut«, grollte Groxmox.
Dieses Mal dauerte es sehr viel länger, bis einer von ihnen das Schweigen wieder brach – und es war fast zu seinem eigenen Erstaunen nicht der Halbling.
»Dieser Ort, von dem du gerade erzählt hast«, begann Groxmox.
Samuel sah ihn zwar fragend und aus großen Augen an, aber er wagte es nicht, irgendetwas zu sagen. Groxmox erriet seinen Gedanken jedoch und fügte hinzu: »Der Ort, an dem alles aufhört.«
»Die Hölle.«
»Die Hölle«, bestätigte Groxmox mit einem abermaligen Nicken. »Glaubst du, dass es dort so ist wie hier?«
»Nein. Ich glaube, das hier ist schlimmer«, antwortete Samuel, woraufhin sich Groxmox’ Miene noch einmal weiter verfinsterte. Das hatte er gewiss nicht hören wollen.
»Und wie kommt man von da wieder weg?«, fragte er.
»Weg?«, wiederholte Samuel, in einem Ton, als hätte er dieses Wort noch nie zuvor gehört und wüsste schon gar nicht, was es bedeutete. »Was meinst du mit weg?«
»Na weg. Wieder raus. Fort. Irgendwo anders hin.«
»Gar nicht«, sagte Samuel. »Wenn man einmal da ist, dann war es das. Man kommt nie wieder weg, und es gibt auch kein Irgendwoanders mehr.«
»Unsinn!«, blaffte Groxmox. Er wollte diesen Quatsch nicht hören. »Gar nichts gibt es gar nicht! Und überall ist noch ein Irgendwoanders.«
»Ach ja?«, fragte Samuel, wobei er auf das vollkommene Nichts ringsum wies. »So wie das da, meinst du?«
Groxmox starrte ihn einfach nur böse an, und der Halbling sah plötzlich überall hin, nur nicht mehr in seine Richtung. Und auch nirgendwohin, weil es ja seinen eigenen Worten nach ein überall an diesem seltsamen Ort gar nicht mehr gab.
Groxmox hütete sich, diesen Gedanken weiterzuverfolgen.
Irgendwann – nachdem wirklich viel Zeit verstrichen war – räusperte sich Samuel unbehaglich, setzte dazu an, etwas zu sagen, zog dann stattdessen aber überrascht die Luft zwischen den Zähnen ein. »Du hast es aufgehoben!«
»Ja«, bestätigte Groxmox und fragte dann: »Was?«
»Na Stech, mein Schwert!« Samuel gestikulierte aufgeregt mit beiden Händen zu seinem Gürtel hoch, und Groxmox’ Blick folgte der Geste. Erst dann erinnerte er sich wieder.
»Stech?«, fragte er. »Du hast deinem Schwert einen Namen gegeben?« Auch wenn das, was er jetzt mit spitzen Fingern aus seinem Gürtel zog, nach seinem Dafürhalten mehr denn je ein Messer war, und kein Schwert. Die Klinge war nicht nennenswert länger als der Griff seines eigenen Bidenhänders.
»Jeder sollte seinem Schwert einen Namen geben«, antwortete Samuel. »Immerhin kann dein Leben davon abhängen, da sollte es auch einen angemessenen Platz in deinem Herzen haben, meinst du nicht auch?«
»Also ich meine, der einzig angemessene Platz für ein Schwert ist im Herzen seiner Feinde«, antwortete Groxmox, während er das kleine Schwert nachdenklich in den Fingern hin und her drehte – allerdings mit einer gehörigen Portion Respekt, denn er erinnerte sich noch zu gut, was diese so harmlos aussehende Klinge anrichten konnte.
Samuel lachte unecht über seinen vermeintlichen Scherz und versuchte tatsächlich nach seinem Schwert zu greifen. Groxmox schlug ihm mit den Fingerspitzen auch nur ganz sacht auf die Hand.
»Das ist also Stech?«, fragte er.
Samuel antwortete erst nach einer geraumen Weile, in der er abwechselnd auf dem rechten und dem linken Fuß herumgehüpft war und die geprellte Hand heulend an die Brust gedrückt hatte. Seine Augen waren nass, und er hatte ein bisschen Mühe, die Stimme unter Kontrolle zu halten; so wie Groxmox ein ganz sachtes, schlechtes Gewissen.
»Es ist ein Zauberschwert«, behauptete er. »Betta Testa selbst hat es mir gegeben. Er hat gesagt, dass es sogar einen Ork zu Fall bringen könnte, aber ich glaube, der Zauber ist nicht stark genug.«
Groxmox hatte da so seine Zweifel, denn er hatte nicht einen Moment
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