Der Osmanische Staat 1300-1922
Anspruch auf das
vom zaiditischen Imam und zahlreichen Stämmen beherrschte Bergland des Jemen
förmlich aufgegeben. In den ostarabischen Ländern wuchs die Unzufriedenheit
mit einem Regime, daß keine Schritte in Richtung auf Gewährung einer
Selbstverwaltung machte. 1913 bekannten sich 35 arabische Deputierte zum
Scherifen von Mekka als höchste religiöse Autorität in allen arabischen Ländern.
Balkan
Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedens mit Italien (17. Oktober 1912)
erklärten Serbien, Griechenland und Bulgarien der Türkei den Krieg, nachdem
montenegrinische Truppen bereits im Sandschak von Novipazar einmarschiert
waren. Bulgarische Truppen schlugen ihre osmanischen Gegner im Vorfeld der
Hauptstadt (Kirkkilise/Kirklareli, Lüleburgaz). Im zweiten Balkankrieg (1913), in
dem die bisherigen Feinde derTürkei gegen Bulgarien kämpften, um ihm die Beute
aus dem vorausgegangenen Krieg abzunehmen, gewannen die Osmanen
Adrianopel/Edirne zurück. Nach den Kriegen zwischen 1911 und 1913 war in
kürzester Zeit aus dem sich über drei Kontinente erstreckenden, wenigstens in der
Flächenausdehnung noch riesigen Osmanen-Staats eine auf Anatolien, das größere Syrien und Mesopotamien beschränkte Mittelmacht geworden. Die in schon
frühosmanischer Zeit erworbenen Gebiete um Saloniki, Manastir/Bitola und
Janina waren verloren. Eine weitere Folge der Balkankriege bildete die Aufteilung des „Sandschaks" zwischen Serbien und Montenegro (Londoner Vertrag
1913).
Weltkrieg
Am Vorabend des Weltkriegs herrschten im osmanischen Kabinett gegensätzliche Auffassungen über den einzuschlagenden Weg. Es gab Anhänger des
Mittelmeer-Dreibunds, weil sie an einen Sieg auf Grund der größeren Ressourcen
Englands, Frankreichs und Rußlands glaubten. Andere sprachen sich für eine
bewaffnete Neutralität bei gleichzeitiger Aufrüstung aus. In der Minderheit
waren Befürworter einer bedingungslosen Neutralität. Enver Pascha, der 19101911 als Militärattachc in Berlin gedient hatte, stellte die Weichen für eine vierte
Lösung, das Bündnis mit Deutschland und Österreich-Ungarn, weil er von deren raschen Sieg über den Mittelmeer-Dreibund überzeugt war. Diese Option erklärt
sich aus der wachsenden Entfremdung von England. Schon Lord Salisburys Wort
vom „falschen Pferd" auf das man gesetzt habe (1901), hatte das Ende der
protürkischen Politik Disraelis signalisiert. Im Jahr 1914 schlug eine Frankreichmission Cemäl Paschas fehl, so daß auch dieser eher frankophile Politiker
für den Anschluß an Deutschland stimmte. Der Entschluß zur Allianz mit
Deutschland wurde im engsten Kreis unter Ausschluß der meisten Kabinettsmitglieder gefaßt. Die für den 30. Juli 1914 vorgesehene Auslieferung von
in England gebauten und bereits bezahlten Kriegsschiffen an die osmanische
Marine wurde verweigert. Am 18. August einigten sich die Ententemächte auf
die Zusage der territorialen Integrität der Türkei während des Krieges im Austausch für die türkische Neutralität. England und Frankreich wiesen türkische
Gegenforderungen (Abschaffung der Kapitulationen, Herausgabe der
Kriegsschiffe und Verzicht auf Einmischung) zurück, weil sie annahmen, daß
der Osmanische Staat keine wichtige Rolle im Krieg spielen werde. Am
10. August liefen zwei deutsche Schiffe („Breslau", „Goeben") in den Dardanellen ein. Unter türkischer Flagge (als Yavuz und Midilli) griffen sie ab dem
24.10. die russische Flotte und Schwarzmeerhäfen an. Zum zehnten Mal befanden
sich die Türken in einem Krieg gegen Rußland.
Integrität gegen
Neutralität
Dardanellcnkämpfc
Englische Angriffe auf die Dardanellen ab März 1915 scheiterten zunächst
wegen der Minenabsperrung, später nach blutigen Abwehrkämpfen der Türken
gegen die Commonwealth-Truppen („Anzac") auf der Halbinsel von Gallipoli.
Obwohl Rußland im Osten der Türkei zunächst große Landgewinne machte
(Winterschlacht von Sarikami1 am 10.1. 1915, Vormarsch bis Van), trug die
Dardanellensperrung nach übereinstimmender Auffassung der Kriegsteilnehmer
zur Niederwerfung Rußlands bei. Trotz der großen Bedeutung, die Rußland der
Meerengenfrage beigemessen hatte, war die Schwarzmeerflotte zu schwach, um
Istanbul zu gefährden.
Armenische
Deportationen
Das Istanbuler Regime war nach Kriegseintritt nicht in der Lage, die armenische
Bevölkerung für das Bündnis mit den Zentralmächten zu gewinnen. Die große
Mehrheit der politischen und kirchlichen
Weitere Kostenlose Bücher