Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
Vom Netzwerk:
als säße ihr Besitzer nicht darunter, sondern habe sich unlängst in Luft aufgelöst und nur seine Kleidung zum Beweis für sein früheres Dasein zurückgelassen.
    Einer der jungen Männer schnappte sich einen Stuhl, trug ihn hinaus und setzte sich dann mit dem Rücken zum Fenster hin. Sein Gefährte, der mich auf der Straße angesprochen hatte, setzte sich in den Diner, aber auf der anderen Seite der Tür. Er schaute nicht zu uns.
    Eine Frau stand hinter der Theke. Sie war vermutlich Anfang vierzig, aber im schummrigen Licht des kleinen Diners hätte sie auch um zehn Jahre jünger durchgehen können. Sie hatte dunkle Haare, und als ich an ihr vorbeiging, sah ich keine graue Strähne. Außerdem war sie hübsch und roch leicht nach Zimt und Gewürznelken. Sie nickte mir zu, lächelte aber nicht.
    Ich nahm gegenüber von Epstein Platz, drehte mich aber so um, dass auch ich die Wand im Rücken hatte und die Tür sehen konnte.
    »Sie hätten mir mitteilen können, dass Sie im Orensanz Center persona non grata sind«, sagte ich.
    »Das hätte ich, aber es hätte nicht gestimmt«, sagte Epstein. »Man hat eine Entscheidung getroffen, und zwar in beiderseitigem Einvernehmen. Zu viele Leute gehen dort ein und aus. Es war weder gut noch klug, sie in Gefahr zu bringen. Tut mir leid, dass ich Sie warten ließ, aber es war sinnvoll: Wir haben die Straßen beobachtet.«
    »Und, haben Sie irgendwas entdeckt?«
    Epsteins Augen funkelten. »Nein, aber wenn wir weiter in die Schatten vorgedrungen wären, dann hätte möglicherweise etwas oder jemand uns entdeckt. Ich habe angenommen, dass Sie nicht alleine gekommen sind. Habe ich recht?«
    »Louis ist in der Nähe.«
    »Der geheimnisvolle Louis. Es ist gut, wenn man solche Freunde hat, aber schlecht, wenn man sie so braucht.«
    Die Frau brachte Essen an unseren Tisch: Baba Ghanoush mit kleinen Stücken Pittabrot, Burekas und mit Essig zubereitetes Huhn, Oliven, Rosinen und Knoblauch, dazu etwas Couscous. Epstein deutete auf das Essen, aber ich griff nicht zu.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Es geht um das Orensanz Center. Ich glaube nicht, dass Sie mit den Leuten dort noch auf gutem Fuß stehen.«
    »Wirklich?«
    »Sie haben keine Gemeinde. Sie unterrichten nicht. Sie sind ständig mit mindestens einem Bewaffneten unterwegs. Heute haben Sie sogar zwei. Und außerdem haben Sie mal vor langer Zeit etwas zu mir gesagt. Wir haben uns unterhalten, und Sie haben den Begriff ›Jesus Christus‹ gebraucht. Mir kommt das nicht besonders orthodox vor. Ich habe einfach das Gefühl, dass Sie sich eine gewisse Missbilligung eingehandelt haben.«
    »Orthodox?« Er lachte. »Nein, ich bin ein höchst unorthodoxer Jude, aber dennoch ein Jude. Sie sind Katholik, Mr. Parker –«
    »Ein schlechter Katholik«, berichtigte ich ihn.
    »Ein solches Urteil steht mir nicht zu. Dennoch ist mir bewusst, dass es im Katholizismus unterschiedliche Richtungen gibt. Ich fürchte, beim Judentum gibt es noch viel mehr. Meine ist etwas zweifelhafter, und manchmal frage ich mich, ob ich zu lange von meinem Volk getrennt war. Ich ertappte mich dabei, dass ich Begriffe gebrauche, die ich nicht gebrauchen sollte, Versprecher, die mir peinlich sind, wenn nicht noch schlimmer, oder Zweifel hege, die ich nicht gut finde. Daher könnte man vielleicht sagen, dass ich das Orensanz verlassen habe, bevor man mich darum gebeten hat. Wäre Ihnen damit wohler zumute?« Er deutete wieder auf das Essen. »Und jetzt essen Sie. Es ist gut. Und unsere Gastgeberin wäre beleidigt, wenn Sie das, was sie zubereitet hat, nicht kosten.«
    Ich hatte mich nicht mit Epstein verabredet, um semantische Spiele zu treiben oder die heimische Küche zu probieren, aber er hatte die Angewohnheit, Gespräche so zu steuern, wie es ihm passte, und ich war von dem Moment an im Nachteil gewesen, als ich hierhergekommen war. Doch mir war nichts anderes übrig­geblieben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich Epstein oder seine Leibwächter auf eine andere Möglichkeit eingelassen hätten.
    Deshalb aß ich. Ich erkundigte mich höflich, wie es ihm und seiner Familie ginge. Er fragte nach Rachel und Sam, hakte aber nicht weiter nach, was unsere häuslichen Verhältnisse anging. Vermutlich wusste er, dass Rachel und ich nicht mehr zusammen waren. Genau genommen glaubte ich mittlerweile, dass es in meinem Leben kaum etwas gab, über das Epstein nicht Bescheid wusste, und dass es schon immer so gewesen war, seit sich mein Vater wegen des Zeichens an ihn

Weitere Kostenlose Bücher